Veranstaltungsreihe im November

Warum leiden LGBTIQ* besonders unter Einsamkeit?

31. Okt. 2023 Axel Schock
Bild: Fotoabteilung Charité
Dr. Dominique Piber

Einsamkeit ist nicht nur ein schmerzhaftes Gefühl, sie kann auch nachhaltig der Gesundheit schaden. Warum queere Menschen besonders betroffen sind und wie man sich aus der Einsamkeit befreien kann, damit beschäftigt sich der Psychiater Dominique Piber an der Berliner Charité. Im Village Berlin gibt es im November eine Veranstaltungsreihe zum Thema

Sie kann quälend und lähmend sein, zu Traurigkeit bis hin zu depressiven Störungen führen. Und sie betrifft mehr Menschen, als man wahrhaben möchte. Weil Einsamkeit weithin immer noch als Stigma gilt, wird viel zu wenig über sie gesprochen, auch in der queeren Community. Dabei zeigen Studien, dass unter queeren Menschen Einsamkeit deutlich verbreiteter ist als in der heteronormativen Gesamtgesellschaft. „Gerade schwule Männer haben große Probleme, Einsamkeit zu benennen und damit auch ihre Gefühle zu teilen“, erklärt Dr. Dominique Piber von der Berliner Charité.

„Gerade schwule Männer haben große Probleme, Einsamkeit zu benennen und damit auch ihre Gefühle zu teilen.“

Die Ursachen dafür reichen von Scham und Minderwertigkeitsgefühlen bis zu fehlender Selbstakzeptanz. Der Psychiater praktiziert an der Charité und forscht dort zu den Zusammenhängen zwischen körperlicher und seelischer Gesundheit. Er interessiert sich dabei vor allem für die Rolle des Immunsystems bei psychischen Erkrankungen. „Anders als Alleinsein, das manche sogar als wohltuend empfinden, zieht Einsamkeit Leid mit sich. Auch wer gut sozial vernetzt ist und viele Menschen um sich hat, kann einsam sein“, sagt Piber. Dann nämlich, wenn das Bedürfnis nach Kontakt und Zugehörigkeit unerfüllt bleiben.

Marginalisierung und gesellschaftlicher Ausschluss können dabei eine große Rolle spielen. Daher sind manche Personengruppen potenziell eher von Einsamkeit betroffen – zum Beispiel solche mit Migrationshintergrund, mit geringerem Einkommen, mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen. Warum auch Menschen aus der LGBTIQ*-Community überdurchschnittlich oft an Einsamkeit leiden, dafür gibt es mehrere Erklärungen. Queere Menschen empfinden sich oft bereits von Kindheit an als anders, erfahren soziale Zurückweisung oder emotionale, sexuelle wie körperliche Gewalt. Es fällt ihnen auch häufig schwerer, andere Menschen zu finden, mit denen sie sich verbinden können.

„Aber auch die Zurückweisung innerhalb der queeren Community kann die Einsamkeit verstärken“, erklärt Piber und nennt als Beispiel den Ausschluss von trans* Personen.

Kreislauf durchbrechen

Einsamkeit fühlt sich nicht nur schlecht an, sie ist auch mit einer ganzen Reihe von psychischen Erkrankungen assoziiert, wie etwa Demenz sowie depressiven und Angststörungen. „Einsamkeit steigert sogar das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, möglicherweise in ähnlichem Maße wie Rauchen oder Mangel an körperlicher Bewegung“, betont Dominique Piber.

Die gute Nachricht aber: Wer an Einsamkeit leidet, ist nicht allein mit diesem Gefühl. Und man kann etwas dagegen tun. Piber formuliert drei Schritte, um den Kreislauf der Einsamkeit zu durchbrechen. „Am Anfang steht die Bereitschaft, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und tatsächlich etwas ändern zu wollen.“ Es gilt zunächst die Ursachen für die Einsamkeit zu ergründen und zu verstehen, woher diese Gefühle kommen. Liegt es beispielsweise an mangelndem Selbstbewusstsein oder an negativen Erlebnissen in der Vergangenheit? Im zweiten Schritt sollte die Selbstfürsorge im Vordergrund stehen. Also beispielsweise sich Dinge zu gönnen, die einem guttun und wenn nötig, wieder Struktur ins Leben zu bekommen, um damit zugleich die Voraussetzung zu schaffen, wieder mehr mit anderen Menschen in Kontakt treten zu können.

„Einsamkeit steigert sogar das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, möglicherweise in ähnlichem Maße wie Rauchen oder Mangel an körperlicher Bewegung.“

Dieser letzte Schritt – die passende Community zu finden, in der man sich sicher fühlt und auf Menschen trifft, mit denen man sich austauschen, neue Bekanntschaften, vielleicht sogar Freundschaften und Beziehungen aufbauen kann – dürfte für manche der schwierigste Part sein. Anders als in ländlichen Regionen gibt es glücklicherweise in Berlin durch die breit gefächerte queere Infrastruktur eine ganze Reihe erster Anlaufpunkte: Piber empfiehlt hier die niedriegschwelligen Angebote u. a. von Mann-O-Meter, TransInterQueer, der Schwulenberatung, der Berliner Aids-Hilfe, des Sportvereins Vorspiel SSL Berlin, der lesbischen Initiative RuT  oder des Communityprojekts We Are Village. Und nicht zuletzt können auch virtuelle Kontakte helfen, wieder mit mehr Menschen in Kontakt und in Kommunikation zu treten – und so aus dem Einsamkeitsgefühl ein Gemeinsamkeitsgefühl werden zu lassen.

Veranstaltungsreihe im Village.Berlin

In der Zusammenarbeit mit der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung hat das Village Berlin eine Veranstaltungsreihe zum Thema Einsamkeit in der queeren Community ins Leben gerufen. Zwei Veranstaltungen finden im November statt:

Building bridges of belonging – Strategien im Umgang mit Einsamkeit gestalten
14. November 19:00
Village, Kurfrürstenstraße 31
Beschreibung: Mit Methoden aus den Kreativtherapien Wege finden, um mit der Einsamkeit umzugehen, für LGBTQIA+

Podiumsdiskussion „Einsamkeit in der queeren Community“
30. November um 19:00
Village, Kurfrürstenstraße 31
Moderation: Prof. Dr. Anna Steigemann, Gäste: Lilith Raza, Dr. Dirk Sander, Prof. Dr. Mirjam Fischer, Dr. Dr. Dominique Piber 

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