AUSSTELLUNG

René Koch im Schwulen Museum*, Vernissage ist am 14.12.

12. Dez. 2015
Wer ist hier wessen Muse? Hildegard Knef und René Koch (c) Archiv René Koch

René Koch ist Aktivist, Kuratoriumsmitglied der Berliner Aids-Hilfe, Ex-Dragqueen und Betreiber des Lippenstiftmuseums. Dieses Jahr hat er das Preisgeld und die Statue für den HIV-Awareness-Award der Berliner-Aids-Hilfe gestiftet

René, wie findest du es denn, eine eigene Ausstellung im Schwulen Museum* zu haben?
Ich finde es schon angesichts der Tatsache interessant und spannend, dass ich schon sehr früh offen schwul gelebt habe. In einer Zeit wie 1963, als ich nach Berlin gekommen bin, war das ja nicht so wie heute, wo vieles selbstverständlich ist. Bei meinen Auftritten habe ich noch Razzien miterlebt. Plötzlich wurde alles abgebrochen und die Tunten wurden eingesammelt und aufs Polizeipräsidium gebracht, wir wurden registriert, es gab die rosa Listen. Das ist heute alles viel freier. Aber deshalb sehe ich mich ja auch als politisch, zwar nicht wie die sogenannten Polittunten, aber ich finde, jeder muss auf dem Platz, wo er steht, versuchen, etwas zu bewegen. Und ich habe mit den Mitteln gearbeitet, mit denen ich arbeiten konnte, war dabei authentisch und war sichtbar.

Eben auch „im Fummel“.
Wenn man‘s bedenkt, bin ich ja die Mutter aller Dragqueens. Wer hat denn schon damals so eine parodistische, überdrehte Frauenfigur gemacht? Damenimitatoren gab’s schon immer, aber nicht in dieser überzeichneten Form mit diesen riesigen, selbstgemachten Papierwimpern. Eine Boa aus Straußenfedern, wie die das im Chez nous hatten, konnten wir uns nicht leisten – das hab ich alles aus Krepppapier gemacht ...

Die hohe Kunst der Improvisation.
Genau, da haben wir aus nichts was gezaubert. Ich wollte 'ne Lockenperücke, aber eine teure war nicht drin, da hab ich 'ne billige genommen und sie in den Backofen gelegt, dann hat die sich von allein gekräuselt. Eine echte Lockenperücke hätte ja zu der Zeit wahrscheinlich um die 1.000 Mark gekostet. Die Schule der Travestie kann ich nur jedem empfehlen.

Was kommt in der Ausstellung vor?
Die Ausstellung hat viele Facetten. Man sieht René Koch von Kind an, natürlich auch die Travestie-Phase – damit hab ich ja meine Kosmetiker-Ausbildung finanziert. Man sieht mich bei den Begegnungen mit Prominenten. Dann gibt es das Blindenschminken, die Transgender-Sprechstunde für Menschen, die sich ausprobieren wollen, aber eben nicht auf der Bühne, sondern nur für sich. Also: Die einen kennen nur das von mir, die anderen nur das. Jeder hat mich immer nur in die Schublade gepackt, in die ich gerade gepasst habe. Und jetzt können die Leute mal andere Seiten von mir sehen.

Du engagierst dich auch seit Jahrzehnten für Aidskranke.
Ich hab mich, als die ersten Aidskranken mit Kaposi (eine Form von Hautkrebs bei Aids; Anm. d. Red.) im AVK lagen, engagiert und gezeigt, wie sie diese Flecken abdecken können, wenn sie das wollten. Ich bin auch im Café Victoria aufgetreten, habe dort gelesen etc. Ich nutze meine Prominenz noch immer, um Geld zu sammeln. Als ich in den 80er Jahren mit Judy Winter und Guido Westerwelle am Europa Center für die Aidshilfe gesammelt habe, sind wir noch angespuckt worden ... Anne Momper hat uns damals Kraft gegeben und Rita Süssmuth, die gesagt hat: „Ihr müsst weitermachen!“

Kennst du die Berliner Dragqueens von heute?
Gloria Viagra war schon hier, Jurassica Parka hat hier gefilmt, das steht noch bei YouTube. Ich kenne Nina Queer, Ades Zabel, ich liebe sie alle. Ich hab 'nen Faible für Travestie, das ist geblieben.

Welche Beziehung hast du persönlich zum Schwulen Museum*?
Ich finde, die machen sehr gute Ausstellungen und deshalb muss man auch den Publikumskreis öffnen. Und durch meine Ausstellung jetzt kommen ja vielleicht mal Leute hin, die noch nie dort waren. Das würde ich mir wünschen. Es rufen mich ja jetzt Leute an, „Ach, im Schulen Museum* ist das, kann ich denn da auch hingehen?“ Ich sage dann: „Sie können doch auch ins jüdische Museum gehen, ohne dass Sie jüdisch sind“. Wir müssen auch die Arme aufmachen und sagen: „Kommt alle!“ Wir alle, Schwule, Lesben, Transgender müssen toleranter werden. Weil, wenn wir es nicht sind, können wir auch nicht erwarten, dass die anderen es sind.

Interview: Frank Hermann

„Die Kunst des schönen Scheins – Travestie-Star, Make-up-Künstler, Lippenstiftsammler, Charity-Aktivist. Eine Hommage zu René Kochs 70. Geburtstag“, 14.12.2015 (Vernissage ) bis 14.03.2016, 19:00, Schwules Museum

Hildegard-Knef-Abend mit René Koch, 27.12., 17:00, Schwules Museum

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