Film

Modeterrorist: Yves Saint Laurent

12. Apr. 2014

13.4.– Als Yves Saint Laurent 2008 in Paris verstarb, gab es kaum einen Nachruf, der in dem begnadeten Modeschöpfer nicht auch einen Revolutionär entdecken wollte. Er habe Bomben in die Mitte der Gesellschaft geworfen und die Frauen befreit, tönt es geradezu martialisch aus einem Zitat seines Lebensgefährten und Geschäftspartners Pierre Bergé. Laurent hatte zweifellos ein besonderes Talent dafür, die Gegenkultur der 60er und 70er in sich aufzusaugen, um sie als Haute Couture für die Massen wieder auf die Straße zu kippen. Mit taillenlosen Pop-Art-Kleidern torpedierte er den figurbetonten weiblichen Look. Seine androgynen Damen-Smokings waren derart gewagt, dass einigen Trägerinnen der Zugang zu Restaurants und Hotels verwehrt wurde.

Auf dieses Minenfeld modischer Innovationen wagen sich in diesem Jahr gleich zwei Biopics. Den Anfang macht Jalil Lesperts „Yves Saint Laurent“. Sein Film beginnt Ende der 50er mit Laurents Ernennung zum künstlerischen Leiter des Modeimperiums Dior und klappert dann bis in die 80er hinein die markantesten Etappen seiner Karriere ab. Der Akzent liegt dabei klar auf der die Jahrzehnte überdauernden Liebesgeschichte zwischen Laurent und Bergé. Während der junge Pierre Niney den längst zum „Botschafter französischer Kultur“ ausgerufenen Nationalhelden als manisch-depressiven und hypersensiblen Künstler eindrucksvoll zum Leben erweckt, verfügt Guillaume Gallienne als väterlicher, eher rational agierender Bergé über kaum weniger Leinwandpräsenz. Doch das eindrucksvolle Schauspiel ist ein einsamer Triumph in einem ansonsten ziemlich uninspirierten und teilnahmslosen Film. Bomben gehen hier jedenfalls nicht hoch! Inwieweit Mode zur Revolution wird und Gesellschaft verändert, ob Laurent wirklich ein feministischer Revolutionär war oder einfach nur ein Exzentriker, der mit ein bisschen schönem Schein ein paar Skandale produzierte, sind Fragen, die Lesperts Film ziemlich kaltlassen. Lieber richtet er den Blick auf dessen Sex- und Drogenexzesse, die in den Swinging Sixties, ehrlich gesagt, jedes zweite Künstlerdasein definierten. Dafür braucht es keinen Modeanarchisten, zumal man der gelangweilten Inszenierung praktisch beim Gähnen zuschaut, wenn sich das französische Nationalheiligtum in irgendeinem Sexclub durchficken lässt oder Karl Lagerfeld den Freund ausspannt. Das unfokussierte Drehbuch ist sowieso damit beschäftigt, im Eiltempo von einer Lebensstation zur nächsten zu hetzen. Das raubt natürlich der von den brillanten Darstellern getragenen Liebesgeschichte letztendlich die Substanz. Am Ende steht die Erkenntnis, dass das Kino zwar jede Menge Modeikonen, aber leider immer noch keinen halbwegs befriedigenden Film über die Modeindustrie hervorgebracht hat.

Freuen darf sich allein Bertrand Bonello, dessen „Saint Laurent“ Ende des Jahres in den Kinos anläuft. Lespert mag ihm vielleicht ein schwules Leinwand-Traumpaar weggeschnappt haben, ansonsten hat er aber ein völlig unbestelltes Feld hinterlassen.

Andreas Scholz

„Yves Saint Laurent“, 14.04., 22:00, MonGay, Kino International, ab 17.04. im Kino

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.