CSD in Berlin

Konflikt und Konsens: Die Siegessäule-Podiumsdiskussion

16. Apr. 2014
© Guido Woller

Die Community erschien zahlreich zu unserer Podiumsdiskussion „Quo Vadis CSD?“ und wollte offensichtlich eines: Ein Ende der Streitereien

Informativ und sogar ein bisschen versöhnlich verlief die gestrige Siegessäule-Podiumsdikussion „Quo Vadis CSD?“ im SchwuZ, moderiert von den Verlegerinnen Manuela Kay und Gudrun Fertig. Circa 200 Menschen waren gekommen, um sich in zwei Panels über den CSD-Streit und seine möglichen Perspektiven zu informieren. Um eben diesen Informationsgehalt so hoch wie möglich zu halten, verkündete Manuela Kay zu Beginn der Veranstaltung, dass es an diesem Abend keine Publikumsbeiträge geben würde: „Hört einfach zu und bildet euch eine Meinung. Diese Veranstaltung ist nur der Auftakt zu einer hoffentlich fruchtbaren Diskussion in den nächsten Wochen und Monaten.“

So erklärte auf dem ersten, von Gudrun Fertig moderierten Panel, Reinhard Thole vom Vorstand des CSD e.V. erneut die Beweggründe für die Namensänderung des CSDs in Stonewall (Neukonzipierung und Politisierung der Veranstaltung, Umwandlung des CSD e.V. in eine ganzjährig agierende NGO) und schilderte die finanziellen Erwägungen, die zur Sicherung der Markenrechte am Wort „Stonewall“ durch den CSD e.V. geführt hatten. Man habe sich die Marke sichern lassen, um am CSD finanziell partizipierende Unternehmen zu zwingen, das verdiente Geld auch wieder in den CSD zu investieren. Auch die Vorwürfe gegen das Bezirksamt Mitte wurden erneut zusammengefasst.

Das würde man rückschauend nicht mehr so machen.

Nach den folgenden Redebeiträgen – Ute Hiller erklärte die Gründe für den kürzlich erfolgten Austritt der BAH aus dem CSD e.V. und beklagte die „Überrumpelungstaktik“ bezüglich der Namensänderung, Jörg Steinert vom LSVD monierte die Konzentration auf interne Konflikte anstatt gemeinsam gegen homophobe Tendenzen in der Gesellschaft vorzugehen etc. – räumte Reinhard Thole vom CSD e.V. überraschend Fehler des Vereins ein: Man hätte bezüglich der Umbenennung auf den „Big Bang“ gesetzt, das wäre offensichtlich ein Fehler gewesen, ebenso wie der skandalöse Umgang mit Tom Schreiber, Klaus Wowereit, Carsten Spallek und Stefan Evers in der Pressekonferenz „Berlin im Sumpf“ vom 26.02. Das würde man rückschauend nicht mehr so machen. Den Hinweis von Ute Hiller, dass es nicht ausreiche, Fehler einzugestehen, sondern sie auch im Nachhinein zu beheben, blieb allerdings ungehört. Wiebke Oschmann vom kürzlich gegründeten Aktionsbündnis CSD 2014 hatte im Folgenden die Gelegenheit, das erst am letzten Sonntag gegründete Bündnis und die für den 21.6. angemeldete Demo vorzustellen, betonte aber wiederholt, dass es sich hierbei nicht um eine Gegendemo handele. Man habe vor, im Laufe des Tages zum großen CSD dazuzustoßen. Sollte sich der Konflikt mit dem CSD e. V. bis dahin lösen, wäre das Bündnis sogar bereit, die Demo wieder abzumelden. Als Zeichen der Gesprächsbereitschaft überreichte sie Reinhard Thole im Anschluss ihre Beitrittserklärung zum CSD e.V.

„Es wäre Selbstmord, die Marke CSD aufzugeben!“

Emotionales Sprachrohr des Abends war dem Applaus nach zu urteilen die einzige Hete in der Runde: Dominique vom Nachtclub Insomnia, hat schon an vielen CSDs aktiv mit einem Wagen teilgenommen, einerseits mit ihrem Club Insomnia, aber auch mit dem KitKatClub. Sie appellierte an die Streitparteien und die Community, die Konflikte im Hinblick auf die Außenwirkung schnellstmöglich beizulegen und den auch im Mainstream etablierten Namen beizubehalten: „Es wäre Selbstmord, die Marke CSD aufzugeben!“ Das Wort Stonewall nehme der Veranstaltung trotz begrüßenswerter Politisierung die Strahlkraft: „Bei dem Namen denken die Heten, ihr wollt die Mauer wieder aufbauen! Ihr seid doch auf dem richtigen Weg, reißt das nicht mit dem Arsch wieder ein, was ihr vorne aufgebaut habt.“

In dem von Manuela Kay moderierten zweiten Panel sollten Konzepte für einen zukünftigen CSD entwickelt werden. Doch wirklich neue konkrete Ideen waren eher rar gesät. Auf dem Podium war der unter Beschuss geratene Geschaftsführer des CSD e. V. Robert Kastl vertreten, dem fast zwangsläufig die Rolle des Antagonisten zukam. Deutlich angespannt betonte er, dass er sich für zukünftige CSDs nicht immer die gleiche „Trans*Inter*Ursuppe“ wünsche, worauf das Publikum mit lautstarken Protest reagierte. Er vertrat den Standpunkt, dass der CSD e. V. nach der Diskussion um die Ablehnung des Zivilcouragepreises durch Judith Butler im Jahr 2010 ja gerade versucht hätte, die Kritik aus der Community aufzunehmen. Alle politischen Änderungen wären dabei bereits auf dem letztjährigen CSD verwirklicht worden. Mit Bezug auf der im CSD-Forum beschlossenen Namensänderung wünschte er sich, dass der aus seiner Sicht korrekt demokratisch durchgeführte Beschluss zukünftig auch akzeptiert werde. Saideh Saadat-Lendle von LesMigras, die seit fünf Jahren nicht mehr beim großen CSD dabei sind, hielt dagegen, dass sie keine glaubwürdige Auseinandersetzung des CSD e. V. mit seinen Mitgliedern sieht und vor allem keine wirklich politische Neuorientierung. Es bestände kaum Raum für eine Partizipation von Lesben oder Menschen mit Migrationshintergrund. Gerade Mehrfachdiskriminierung werde in der Szene kaum ernst genommen.

Konflikte gehören dazu

Mit Pascal Siemens vom Cologne Pride und Marc-Pierre Hoeft vom Hamburg Pride saßen auch CSD-Organisatoren aus anderen Städten auf dem Podium, die beide in der Vergangenheit ebenfalls mit Konflikten zu kämpfen hatten, aus denen Neukonzeptionen entstanden. Gerade Köln hat davon ausgehend ein CSD-Modell kreiert, das die lesbische Szene ausgesprochen stark mit einbindet. Der Vorstand besteht hier mittlerweile aus drei Frauen und zwei Männern. Pascal mahnte an, dass das, was in Berlin diskutiert würde, Ausstrahlungseffekte auf den Rest des Landes habe. In einer Zeit, in der konservative Werte auf dem Vormarsch seien und selbst die Szene kein diskriminierungsfreier Raum sei, wären die hier diskutierten Konflikte nur ein Nebenkriegsschauplatz. Marc-Pierre betonte, dass es so etwas wie einen Wunsch-CSD für ihn eigentlich nicht gäbe: „Ich würde mir wünschen, dass eines Tages so etwas wie ein CSD nicht mehr nötig ist.“

Die überwiegend versöhnliche Grundstimmung blieb bis zum Ende des Abends erhalten. Deutlich wurde, dass trotz klar auf der Hand liegender Streitpunkte ein Konsens möglich sein kann: Der gemeinsame Kampf für LGBTI und ihre Rechte. Denn wie Bernd Gaiser, Mitveranstalter des allerersten Berliner CSDs, im Impulsgespräch am Anfang des Abends berichtete, entstand auch die erste Parade 1979 aus einer zerstrittenen Community heraus.

as/jano/chal

Mit dabei waren im ersten Panel Ute Hiller (Geschäftsführerin der Berliner Aids-Hilfe), Jörg Steinert (Geschäftsführer des LSVD Berlin-Brandenburg), Reinhard Thole (Vorstandsmitglied im CSD e. V.), Stefan Evers (mdA, LSU), Dominique (Club Insomnia Berlin), und Wiebke Oschmann (Gründungsmitglied Aktionsbündnis CSD Berlin 2014). Im zweiten Panel diskutierten Petra Bentz (Vorstandsmitglied Seitenwechsel e. V.), Tom Schreiber (queerpolitischer Sprecher der SPD), Marc-Pierre Hoeft (Vorstandsmitglied im bei Hamburg Pride), Robert Kastl (Geschäftsfüher des CSD e. V.), Pascal Siemens (Vorstndsmitglied des Kölner Lesben- und Schwulentag e. V.) und Saideh Saadat-Lendle (Leiterin des Antidiskriminierungsarbeitsbereichs der Lesbenberatung Berlin).

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