Film

Ungeliebte Heldin: „Violette", jetzt im Kino

26. Juni 2014

– „Meine Mutter hielt nie meine Hand.“ Mit ihrem ersten zu Papier gebrachten Satz deutet Violette Leduc (Emmanuelle Devos), Mitte 30 und im Zweiten Weltkrieg als Schwarzmarkthändlerin unterwegs, schon an, was sie als Frau und Schriftstellerin ausmacht: sie ist einsam, verletzlich, ohne Selbstwertgefühl und voll verzweifeltem Hunger nach Liebe.

Und doch hat sie den Mut, ihr Manuskript der berühmten Schriftstellerin und Feministin Simone de Beauvoir (Sandrine Kiberlain) vorzulegen, die sie verehrt und schnell auch begehrt. Die kühle Intellektuelle ist die größte von Violettes zahlreichen unglücklichen Lieben zu Frauen und (oftmals schwulen) Männern. Zwar erwidert sie deren stürmische Avancen nicht, wird aber ihre Mentorin, vermittelt ihr einen Verlag und Kontakte zu Star-Autoren wie Jean Genet (Jacques Bonnaffé). Sie bringt Violette dazu, ihre Gefühle in Literatur zu kanalisieren. „Sie sprechen über die weibliche Sexualität wie keine Frau bisher. Mit Poesie, Ehrlichkeit und mehr noch“, sagt de Beauvoir in einer Szene. Ob Violette das versteht oder überhaupt interessiert, bleibt offen. Für sie scheint Schreiben allenfalls Therapie zu sein, vielleicht aber auch schlicht ihre einzige Verbindung zu de Beauvoir, die sie nicht abreißen lassen will.

Die kontroverse französische Schriftstellerin Violette Leduc, kraftvoll gespielt von Emmanuelle Devos, ist keine einfache Heldin. Wir erleben sie dauerunglücklich und verbittert über die Kritik und Zensur, der sie mit Skandalthemen wie Homosexualität, Abtreibung und Inzest ausgesetzt ist. Der lang ersehnte kommerzielle Erfolg, der erst mit ihrem sechsten Roman „Die Bastardin" kam, wird in den letzten Minuten nur gestreift.

Martin Provost inszeniert seinen Film in langen Einstellungen und streng durchkomponierten Bildern, die immer mehr an Farbigkeit gewinnen. Während am Anfang noch die Tristesse der Nachkriegszeit vorherrscht, endet der Film in der sonnendurchfluteten Provence. Hier kommt Violette ihrem persönlichem Glück wohl auch am nächsten.

Mit über zwei Stunden ist „Violette" ein wenig zu lang geraten, macht aber Lust auf die Bücher der Autorin. Die beiden einzigen Titel, die je auf deutsch übersetzt wurden, „Die Bastardin" und die lesbische Erzählung „Therese und Isabelle", gibt‘s derzeit allerdings nur antiquarisch.

Karin Schupp

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