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„Somewhere Over The Rainbow"

4. Juli 2014

Am 05. und 06.07. steigt das „Pink Weekend" auf Arte. Neben dem Magazin „X:enius", das den Ursachen für Homophobie auf den Grund geht, gibt es ein „Tracks: Queer Special" und Dokus über Rock Hudson oder den CSD in New York. Highlight ist der brandneue Film „Somewhere Over The Rainbow. Die schwule Bewegung und ihre Hymnen" von Birgit Herdlitschke und der Produktionsfirma DEF Media GmbH. Für ihre Doku hat die Regisseurin u. a. Peaches, Mykki Blanco, Romy Haag, Hape Kerkeling und Siegessäule-Chefredakteur Jan Noll befragt. Wir haben den Spieß mal umgedreht und Birgit durfte Siegessäule erklären, was denn nun genau eine schwule Hymne ausmacht.

Birgit Herdlitschke (re.) interviewt Romy Haag für „Somewhere Over The Rainbow“

Birgit, was hat dich als Hete eigentlich auf die Idee gebracht, einen Film über Homo-Hymnen zu machen? Die Idee kam von arte und meiner Produktionsfirma DEF Media. Als ich für Vox an der Sendung „100 Songs, die die Welt bewegten“ gearbeitet habe, ist mir dann bewusst geworden, dass eigentlich die meisten Songs und Impulse, die Popgeschichte vorangetrieben haben, ursprünglich aus der schwulen oder queeren Kultur kamen. Zum Beispiel wäre die ganze Geschichte der Dance und House Music ohne die Vorreiter aus der homosexuellen Szene so nicht denkbar gewesen.

In deinem Film lässt du ganz unterschiedliche Leute zu Wort kommen, das reicht von dem MTV-Moderator Steve Blame über Musikproduzent Giorgio Moroder bis hin zu Hape Kerkeling. Nach welchen Kriterien hast du deine Gesprächspartner ausgesucht? Ich wollte natürlich Leute, die eloquent sind und etwas zum Thema zu sagen haben. Steve Blame verfügt durch seine jahrelange Arbeit bei MTV natürlich über ein großes Expertenwissen und als schwuler Autor bringt er auch seine eigene Lebensgeschichte mit ein. Hape Kerkeling habe ich aus Spaß mal angefragt und war angenehm überrascht, dass er zugesagt hat. Normalerweise äußert er sich für einen Nischensender wie Arte ja nicht zu solch einem Thema. Aufgrund der kurzen Produktionszeiten haben wir auch nicht alle Leute bekommen. Ich hätte zum Beispiel wahnsinnig gern noch die Pet Shop Boys im Film gehabt, aber die waren leider gerade auf Tour in Amerika.

Was macht denn nun einen Song zu einer schwulen Hymne? Ich würde das gern so simpel ausdrücken wie die Rapperin Mykki Blanco in meinem Film. Die Hauptmessage einer Schwulenhymne ist Freiheit. Das klingt erst einmal wahnsinnig platt. Doch in vielen dieser Songs findet das durchaus subtil und gar nicht so offensichtlich statt.

In deiner Doku wird ja auch thematisiert, dass man über ein bestimmtes Wissen verfügen muss, um diese Songs als schwule oder queere Hymnen zu erkennen. Dort wo Popkultur anfängt interessant zu werden, gibt es auch versteckte Botschaften. Zum Beispiel erzählt Jan Noll im Film, dass wenn du als Kind ein Video von Frankie goes to Hollywood siehst, ja erst einmal denkst, dass sind einfach nur verkleidete Männer. Wenn du aber nach Berlin-Schöneberg ziehst, dann wird dir die wahre Bedeutung so langsam bewusst. (lacht) Dieses „Only for those who know“ ist ein ganz erheblicher Bestandteil von Popmusik, den ich schon immer toll fand. Als Sid Vicious von den Sex Pistols damals mit Hakenkreuz-T-Shirt aufgetreten ist, war er deswegen kein Nazi. Innerhalb der Punkkultur hatte das eine ganz andere Bedeutung. Auf der anderen Seite gibt es dann aber auch so etwas wie „Go west“ von den Pet Shop Boys. Der Song ist zu einer Stadionhymne für einen englischen Fußballverein geworden, was nun gar nichts mehr mit schwuler Kultur und dem Ursprung des Liedes zu tun hat. Der Song hat sich also in eine andere Richtung verselbstständigt.

Es ist auffällig, dass in deinem Film keine lesbischen Hymnen vorkommen? Von Anfang an habe ich gedacht, was ist eigentlich mit den Songwriterinnen, angefangen von k.d. lang bis zu den Riot Grrrls? Aber eigentlich geht’s im Film um diese großen Feierhymnen und diese kommen eben eher aus einem schwulen oder queeren Kontext und nicht aus einer lesbischen Kultur. Eigentlich müsste man genau über dieses Thema noch einen zweiten Teil machen.

Gibt es denn schwule Hymnen überhaupt noch? Hast du nicht das Gefühl gehabt, einen Film über ein mittlerweile totes Phänomen zu machen? Die große Hochzeit der schwulen Hymnen in den 70er- und 80er-Jahren ist tatsächlich vorbei. Aber das hat generell etwas mit der Gesamtentwicklung von Kultur und Musik zu tun. Je mehr Musik verfügbar ist, umso weniger ist sie mit Bedeutung aufgeladen. Wenn man sich Anfang der 80er noch eine Maxi in London bestellte, war es etwas total heiliges sie auf den Plattenteller zu legen. Und heute gehst du ins Netz und kannst dir jede Musik anhören. In Westeuropa und Amerika hat sich zudem politisch viel verändert und es ist dort wohl nicht mehr so wichtig solche Songs zu haben. Andererseits sieht man an einem Phänomen wie Conchita Wurst, dass es eben doch noch eine Rolle spielt.

Hast du eine Lieblingshymne? Die größten Ohrwurmqualitäten hat für mich immer noch Sylvester mit „You make me feel“. Sylvester ist aber auch ein extrem spannender Künstler und musikalisch sicherlich wesentlich interessanter als beispielsweise die Village People. Mein Assistent, der Ende Zwanzig ist, war total überrascht, dass der Song so alt ist und doch so modern klingt.

Interview: Andreas Scholz

„Somewhere over the rainbow“, 05.07., 22:00, Arte, arte.tv

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