Musik

Anders als die Anderen

8. Juli 2014

– DJ Orson bEaTz aus Columbus/Ohio ist gerade mal zwölf Jahre alt und hat schon ein erstaunliches musikalisches Nerd-Wissen. Mit seinem schwulen Vater Ron ist Orson jeden Sommer für ein paar Monate in Berlin zu Besuch und hostet in dieser Zeit immer dienstags von 21 bis 23 Uhr seine eigene DJ-Night im Sanatorium 23. Wir haben mit dem Regenbogen-Wunderkind über seine Begeisterung für Musik, seine Pläne und die queere Berliner Partycrowd gesprochen

Orson, du bist zwölf Jahre alt. Das ist echt jung für einen DJ. Wann hast du angefangen, dich für Musik zu interessieren und was waren so die ersten Acts, die du toll fandest? Mein Interesse für Musik begann schon sehr früh, noch bevor ich anfing zu sprechen. Ich fand 80er-Mucke toll und hatte schnell ein Faible für obskure Songs. „Tarzan Boy“ von Baltimora fand ich immer super. Das war ja in Europa ein großer Hit, in den USA aber nicht. Irgendwann kam World Music, Jazz, Chill, Electro und Alternative dazu. Einer meiner Alltime-Favourites ist „Windowlicker“ von Aphex Twin. Ich spiele aber auch selbst Instrumente, lerne Klavier und Schlagzeug.

Neben dem DJing  hast du auch eine eigene Radio-Show am College deines Vaters. Erzähl mal, wie das zustande kam. Mein Vater unterrichtet an einem Kunst-College in den Staaten und ich hab mich immer schon gerne mit seinen Studenten über Musik unterhalten. Einer seiner Studenten hat mich dann irgendwann eingeladen, als Co-Host bei seiner Radioshow dabei zu sein. Ein paar Jahre später kam dann eine weitere Komoderation zustande und seitdem ich zehn bin, habe ich meine eigene Show.

Neben zeitgenössischer House-, Electro- und Popmusik findet man in deinen Sets auch alte Disco- und Funk-Sachen. Was ist das Spannende daran, „alte Musik“ zu entdecken und wie erweiterst du dein musikalisches Wissen? Meine größten Helden sind DJs, ich bewundere Leute wie Gilles Peterson, Mr. Scruff, Too Many Djs/Soulwax, Jonny Trunk, Awesome Tapes From Afica, Four Tet und Bill Brewster. Ich höre mir ihre Sets an und verfolge ihre Aktivitäten im Internet. So finde ich immer wieder coole Musik. Im Moment interessiere ich mich sehr für Library Music aus den 60er- und 70er-Jahren. Das ist Musik, die ursprünglich für die Nutzung im Fernsehen und für Filme produziert wurde. Solche Sachen sind nicht gerade leicht zu finden. Ich recherchiere über bestimmte Websites und über YouTube natürlich. Es gibt zum Beispiel einen tollen Film auf YouTube über den nigerianischen Künstler William Onyeabor, der in den 70er-Jahren elektronische Musik gemacht hat.

Noch bis zum 5. August läuft deine DJ-Night im Sanatorium. Wie bereitest du dich auf so einen Abend vor und was können die Leute erwarten? Anders als bei meinen Radio-Shows mixe ich die Musik im Sanatorium live, kann also eine bestimmte Atmosphäre, eine Stimmung für alle dort kreieren. Letzte Woche hab ich mehr tanzbare Upbeat-Sachen gespielt, gemischt mit Library Music, Alternative und Weltmusik. Diese Woche will ich neuere elektronische Musik mit alter Disco- und Soul-Musik mischen.

Durch deinen Vater und seinen Freund kennst du dich ganz gut in der queeren Berliner Szene aus. Was denkst du über die Stadt und die queere „Crowd“ hier? Berlin ist eine fantastische Stadt mit tollen Leuten und die queere Community ist ein großer Bestandteil des Ganzen. Ich habe hier mehr Selbstbewusstsein, weil es in Berlin einfach mehr Leute gibt, die die gleichen Interessen haben wie ich. Wir haben DJs, MusikerInnen, FotografInnen und KünstlerInnen in unserem Freundeskreis, und die meisten von ihnen sind queer. Ich gehe gerne dahin, wo die Leute Spaß zusammen haben, wie zum Beispiel den Kreuzberger CSD. Dort hab ich sogar auf dem Cherry-O-Kie-Wagen Karaoke gesungen.

Wie offen kannst du mit der Homosexualität deines Vaters in der Schule umgehen? Hast du schon mal negative Reaktionen von Leuten aus deiner Klasse bekommen? Meine Schule ist sehr konservativ und es ist oft schwer, wenn man irgendwie anders ist als die Anderen. Ich wurde oft gehänselt und hatte Probleme mit Klassenkameraden, die mich verurteilt haben. Viele der Erfahrungen und Erlebnisse, die ich in Berlin sammle, werden in meiner Schule nicht so gerne gesehen. Obwohl viele meiner LehrerInnen das alles eigentlich ganz cool finden. Am College meines Vaters sind die Leute aber offener und auch in unserer Kirchengemeinde in Columbus/Ohio gibt es viele Regenbogenfamilien. 

Was sind deine Pläne für die Zukunft? Möchtest du irgendwann deine eigene Musik machen? Neben meiner DJ-Night im Sanatorium werde ich auf einer Hochzeit in Bielefeld auflegen, weiter Schlagzeug-Unterricht nehmen und in so viele Plattenläden gehen, wie nur möglich. In zehn war ich schon, seitdem ich hier bin, außerdem gehen wir auch zu Flohmärkten, wo ich nach Vinyl suchen kann. Wenn ich im August zurück in die USA fliege, beginnt die siebte Klasse und im September geht meine Radio-Show weiter. Wenn ich groß bin, möchte ich ein noch besserer DJ sein, meine eigene Musik machen und noch mehr lernen über alles, was mit Musik zu tun hat.

Interview und Übersetzung: Jan Noll

DJ-Night mit DJ Orson bEaTz, 08.07.,15.07.,22.07., 29.07., 05.08., 21:00–23:00, Sanatorium 23, facebook.com/TerrylandNation

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