Berlin Fashion Week Juli 2014

Nackt mit Zigarette

11. Juli 2014

2012 fand das Fashionfilm-Festival zum ersten Mal in Berlin statt. Mittlerweile gehört es zu den wichtigsten Events in der Branche. 700 Filme aus 54 Ländern wurden eingereicht und von einer Fachjury bewertet. Dabei ist der Fashionfilm an sich noch ein recht junges Genre. Es bewegt sich zwischen den Grenzen von Werbeclip, Musikvideo und Kurzfilm. Oftmals werden solche Filme direkt während Fotoshootings mitproduziert, um Werbung für die Kollektionen von Designern zu machen.

Das Orga-Team hatte am Rande der Fashion Week zu einer großen Award-Verleihung im alten Stummfilmpalast Delphi in Weißensee geladen. Man kam auf die irrwitzige Idee, Bronze-, Silber- und Goldmedallien in 14 Kategorien zu verleihen. Da allerdings kaum jemand aus den Teams der nominierten Filme im Saal anwesend war, um die Preise entgegen zu nehmen, stand die Moderatorin meist hilflos auf der Bühne und niemand reagierte, wenn sie die Gewinner verkündete.

Modenschau von Andrey Bartenev

Immerhin war das Finale der Verleihung ein echtes Highlight. Der russische Künstler Andrey Bartenev präsentierte eine Modenschau der besonderen Art. Ein großes roothaariges männliches Model betrat den Raum, Zigarette rauchend und nackt. Im Schlepptau hatte er eine überdimensionale ballonartige Kunstkreation, die er bis auf die Bühne transportierte. Danach erschienen Menschen in den unterschiedlichsten überdimensionalen Kostümen, die sie auf der Bühne auszogen, um nur in Unterwäsche bekleidet dann wieder von dannen zu ziehen. Ein grandioser, kreativer Abschluss für eine doch recht dröge wirkende Award-Show.

Kaey

Interview mit Fashionfilm-Regisseur Matt Lambert

„London Collection: Men 2013“ ist ein Fashionfilm von Matt Lambert (32), der ebenfalls in zwei Kategorien nominiert war und die Goldene Medaillie für den besten Schnitt gewonnen hat. Siegessäule hat den in Berlin lebenden Amerikaner zur Bedeutung des Fashionfilms befragt

Was macht einen Fashionfilm aus? Ich kann das gar nicht so genau sagen. Hauptsächlich machen viele Fotografen diese Filme. Das führt dazu, dass sie oft einfach aussehen wie ein bewegtes Bild. Meist gibt es keine Geschichte dahinter. Es wirkt seelenlos und oberflächlich. Das Medium Film wird noch nicht in seiner ganzen Bandbreite genutzt. Ich finde Fashionfilme spannend, wenn sie eine Geschichte erzählen oder etwas präsentieren, dass man nicht auf Fotos festhalten kann.

Du hast Musikvideos für die Underground-Band Austra, aber auch den deutschen Sänger Marius Müller Westernhagen gedreht. Wie kam die Zusammenarbeit mit so unterschiedlichen Leuten zustande? In den letzten paar Jahren habe ich viele Filme einfach so gemacht, um mich künstlerisch auszuleben. Diese sind von unterschiedlichen Leuten wahrgenommen worden, die dann an mich herangetreten sind, um mit ihnen zusammenzuarbeiten. Grundsätzlich kommen die Leute also zu mir, weil sie meine Arbeit und meine Ästhetik mögen. Und meist ist das Konzept meine Idee.

Du bist offen schwul und auch die Themen, die du in deinen Filmen verarbeitest, sind sehr queer. Inwieweit beeinflusst das deine Arbeit im Mainstreambereich? Früher habe ich in Amerika viele Werbespots für große Firmen gemacht und gut verdient. Aber künstlerisch bin ich dabei total auf der Strecke geblieben. Wenn man künstlerisch arbeiten will und die Möglichkeit hat, die Menschen zu berühren, geht das nur, wenn man ehrlich ist. Ich würde nicht sagen, ich mache queere Kunst. Ich bin schwul und mache Filme über Dinge, die mich selbst auch ansprechen und bewegen. Ich verdiene dabei weniger Geld als früher, bin aber viel glücklicher.

In vielen deiner Filme sieht man sehr junge Protagonisten. Was findest du an dem Thema Jugend so spannend? Meistens geht es hauptsächlich um das Entdecken der eigenen Sexualität. Diese Phase in der man noch sehr unsicher ist. Oft bekomme ich E-Mails von jungen Menschen, die mir schreiben, dass ihnen gar nicht klar war, dass Schwulsein auch so wie in meinen Filmen aussehen kann. Oft wird man mit Klischeebildern schwuler Kultur überhäuft, mit denen man sich als Sechzehnjähriger nicht unbedingt identifizieren kann. Jedenfalls bringt es mir mehr, einmal im Jahr eine E-Mail zu bekommen, in der mir jemand erzählt, dass er sich aufgrund meiner Filme geoutet hat, als diverse gut bezahlte Werbefilme zu drehen.

Interview: Kaey

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