BERLIN

Sperrzone Berlin

31. Juli 2014
Die Gerhart-Hauptmann-Schule soll zu einem Flüchtlingszentrum umfunktioniert werden (c) Guido Woller

Für Solidarität mit den Flüchtlingen in der Gerhart-Hauptmann-Schule: Ein Kommentar

31.07. – Im Frühjahr 2012 begann eine neue Flüchtlingsbewegung, wie sie in Deutschland lange kaum möglich schien. Der Suizid eines Asylsuchenden in einer Würzburger Gemeinschaftsunterkunft mobilisierte viele Hundert Menschen, die mit einem langen Marsch nach Berlin, mit Besetzungen und anderen Aktionen dafür sorgten, dass politische Verfolgung, Armut, Krieg, lebensgefährliche Fluchtwege und unwürdige Lebensbedingungen im Aufnahmeland breiter wahrgenommen werden: unhaltbare Zustände in den Lagern, ein Kind, das stirbt, weil es ohne Krankenkassenkarte nicht behandelt wird, andere, die staatenlos zur Welt kommen oder nicht an Schulen angenommen werden, obwohl Asylverfahren oder Duldung oft viele Jahre dauern. 

Deutsche Realität, die krank macht

Keine Lager, keine Residenzpflicht, keine Abschiebungen: Forderungen, die unmittelbar einleuchten, gerade in einem Land, das sich die Menschenrechte auf die Fahnen geschrieben hat. Überfüllte Lager in abgelegenen Wald- oder Industriegebieten, über 10.000 Abschiebungen im Jahr: deutsche Realität, die krank macht. Im Hickhack um Zuständigkeiten sollen daran immer andre schuld sein – die EU, die Bundesregierung, das Land, die Kommune. Umso erfreulicher, dass eine breite Unterstützungsszene entstanden ist, die populistischen „Argumenten“ konkrete Solidarität entgegensetzt. Queere Unterstützung gehört dazu wie die Queeren unter den Geflüchteten und Geduldeten. 

Patras Bwansi hatte es auf siegessäule.de pointiert zusammengefasst: „Ich möchte willkommen sein, egal ob ich schwul bin oder schwarz oder was auch immer.“ Es ist an der Zeit, diesen Wunsch für alle einzulösen. Es ist keine individuelle Frage, ob jemand sich willkommen fühlt, es ist Sache der gesamten Gesellschaft, dafür zu sorgen, dass das Mittelmeer aufhört, ein Massengrab zu sein. Dass Isolation durchbrochen wird, die Menschen nicht nur im Einzelfall in den Freitod treibt. Dass das Asylbewerberleistungsgesetz abgeschafft wird, mit dem immer noch ein niedrigeres Existenzminimum für Asylsuchende und Geduldete festgeschrieben wird als bei Hartz IV. Dass es Zugang zu lebenswichtiger medizinischer Versorgung gibt.

Es betrifft uns alle unmittelbar

Am Umgang mit den Verletzlichsten zeigt sich, in welcher Gesellschaft wir wirklich leben. Das hat nichts mit Moral und Mitleid zu tun. Es betrifft uns alle unmittelbar. Die Vertreibung der meisten BesetzerInnen der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in die Vereinsamung am Rand der Stadt, weit weg vom Rückhalt, den eine Community mit ihren widerständigen Strukturen geben kann, ist – Stichwort Gentrifizierung – ein Problem immer größerer, auch queerer Teile der Bevölkerung. Es ist an der Zeit, dass die Würde aller Menschen unantastbar wird. Im konkreten Fall hat es der Innensenator in der Hand, den Geflüchteten aus der Schule Aufenthalt nach § 23 Aufenthaltsgesetz zu gewähren. Zeigen wir ihm, dass er es tun soll!    

Koray Yılmaz-Günay/Jennifer Petzen

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