Kultur

Radikal und unangepasst: Zum Geburtstag von Tove Jansson

9. Aug. 2014
© www.tove100.com

1945 erschien, von der Presse so gut wie unbemerkt, der erste Band über die Mumins: „Moomin and the Great Flood“. Erst das dritte Buch jedoch, „The Finn Family Moomintroll“, wurde ein Erfolg und ins Englische übersetzt. In der Hoffnung daran anzuknüpfen, begann die London Evening News vier Jahre später mit der täglichen Veröffentlichung eines Comic-Strips über die Muminfamilie. Und die Rechnung ging auf: innerhalb von nur zwei Jahren, druckten 120 Zeitungen in rund zwanzig Ländern täglich die Strips. Es war Tove Janssons Durchbruch. Von nun an hielten ihre Figuren Einzug überall dort, wo Comics sowohl fester Bestandteil in Kinderzimmern, als auch von Pop-Kultur und Kunst sind, also vor allem in Frankreich, Spanien, England, Japan und in den USA. Ihr eigenes Leben diente in vieler Hinsicht als Vorlage für ihr umfangreiches Werk, ihre Eltern, die Insel auf der sie als Kind die Sommer verbrachte, ihre langjährige Lebensgefährtin, der 2. Weltkrieg. Am 9. August 2014 wäre die finnische Künstlerin Tove Jansson 100 Jahre alt geworden.

Der Erfolg der Mumins war enorm, sie selbst aber fühlte sich zunehmend ausgebrannt: In nur sieben Jahren lieferte Jansson mehr als 10.000 Panels für die London Evening News. Es war unmöglich, andere Aufträge anzunehmen. Das Mammut-Projekt erstickte alle anderen im Keim. Dies galt insbesondere für ihre Malerei. Schließlich übernahm Tove Janssons Bruder Lasse, mit dem sie 1950 die Firma Oy Moomin Characters Ltd. gegründet hatte, die Arbeit bei der London Evening News.Sie selbst wendete sich vermehrt dem Schreiben zu. Der schottischen Schriftstellerin Ali Smith ist viel daran gelegen, dass Janssons Romane im englischsprachigen Raum Verbreitung finden. Smith, die selbst das Opfer eines Burnouts war, bespricht und kommentiert regelmäßig Janssons Werk. So bemerkt Smith In der Einleitung zu Toves vorletztem Roman „Fair Play“ (1989), sie sei auch als Schriftstellerin auf unaufdringliche Art und Weise radikal gewesen. Sie erzählte von Menschen, die normalerweise in der Literatur nicht vorkämen, so zum Beispiel aus dem gemeinsamen Leben mit ihrer Partnerin Tuulikki Pietilä. Homosexualität war bis 1971 in Finnland illegal und bis1981 als psychische Krankheit gelistet. Seit 1956 – fast 50 Jahre lang waren die beiden Frauen ein Paar – war die lesbische Beziehung ein offenes Geheimnis, von dem zwar viele wussten, aber niemand sprach. Umso bemerkenswerter ist es, dass Tuulikki Pietilä auch in der Muminwelt ihren Platz gefunden hat: als Figur von Too-Tikki.

Janssons Bücher haben sich bislang an die 15 Millionen Mal verkauft und wurden in 44 Sprachen übersetzt. Die Firma Oy Moomin Characters Ltd, gehört heute zu den lukrativsten Finnlands. Das Familienunternehmen ist längst eine globale Marke, die auf den Verkauf von Lizenzen spezialisiert ist.

Auf Deutsch erschienen bislang nur vier ihrer zwölf Romane: „Die Tochter des Bildhauers“, „Sommerbuch“, „Die Puppenstube“ und „Die ehrliche Betrügerin“. Pünktlich zum Jubiläum wurden die legendären Mumin-Strips im Verlag Reprodukt erstmals auch auf Deutsch aufgelegt. Außerdem wird das Schwule Museum* der Autorin ab 13. September die Ausstellung „Mumins zauberhafte Welt – Ein Koboldabenteuer im Schwulen Museum*“ widmen. Im Rahmen der Ausstellung soll es auch eine Tonwerkstatt geben, in der Kinder kostenlos in einem Töpferkurs die Figuren der Mumins nachgestalten können. Für die Finanzierung der Tonwerkstatt bittet das Schwule Museum* um Spenden über die Spendenplattform betterplace.org.

Susann Reck

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