LesBiSchwule T*our Brandenburg

Auf Landpartie

4. Sept. 2014

Homophobie ist in Brandenburg nicht weiter verbreitet als anderswo. Oft fehlt Betroffenen aber wirksame Unterstützung. Deswegen macht sich die LesBiSchwule T*our auch 2014 mit ihrem Bus auf die Reise durchs platte Land, um LGBTI*-Lebensweisen stärker sichtbar zu machen

– Der Satz ist so absurd, im ersten Moment fällt es schwer, sachlich zu antworten. „Schwule“, sagt der Mann, „gibt es hier gar nicht. Die gibt’s doch nur in Berlin.“ Aber er ist ernst gemeint. Denn in einigen Brandenburger Städten glauben die Bewohnerinnen und Bewohner, noch nie einen Schwulen oder eine Lesbe gesehen zu haben. Das ist natürlich Quatsch. Aber richtig überrascht ist Lars Bergmann vom Potsdamer Verein AndersArtig nicht. Jeden Sommer fährt er mit einem Team in Zusammenarbeit mit dem Jugendnetzwerk Lambda eine Woche lang durch mehrere kleinere Städte in Brandenburg. LesBiSchwule T*our nennt sich das Projekt. In diesem Sommer geht es nach Barnim und Märkisch-Oderland, nordöstlich von Berlin. Das Ziel: Mit Schülern, Lehrern und Multiplikatoren über Homo-, Bi- und Transsexualität sprechen. Und auf dem Marktplatz auch die Bevölkerung aufklären – geduldig Fragen beantworten, wie absurd sie auch sein mögen.

Denn auch in ihnen steckt ein realistischer Kern. „Insbesondere Männer führen oft ein Doppelleben, um ihre sexuelle Orientierung zu verstecken. Sie heiraten Frauen, gründen sogar Familien – nicht gerade das, was wir uns unter Freiheit und Selbstbestimmung vorstellen“, sagt Bergmann. Entsprechend gering ist die Sichtbarkeit von LGBTIs in der Öffentlichkeit.

Merkwürdige Fragen sind nicht das Einzige, was die Ehrenamtlichen, die das Tourteam bilden, auf manchen Marktplätzen hören müssen. Auch Beleidigungen gehören dazu. Selbst angespuckt wurden sie schon und einmal – vor zehn Jahren – gar von einer Horde Neonazis bedroht. Bergmann quittiert das mit einem Schulterzucken: „Das gehört zur Aufklärungsarbeit.“ Dass manche Betroffene, die nicht vom Land wegziehen wollen, mit dem Gang in den Schrank reagieren, lässt sich allerdings nachvollziehen.

Wie überall ist auch in Brandenburg die Situation von Städtchen zu Städtchen unterschiedlich: Nicht jede Kleinstadt ist homophob, viele Schwule und Lesben betonen, dass sie sich in Brandenburg wohlfühlen. „Auch die persönliche Situation hat Einfluss, ob sie sich ausgegrenzt fühlen“, berichtet Bergmann. Dennoch wenden sich Betroffene häufig mit Diskriminierungserfahrungen an AndersArtig – wenn sie denn vom Verein wissen. Mit nur einer festen Stelle ist der nämlich viel zu klein, um im großen Flächenland Brandenburg überall präsent sein zu können. Viele Lesben und Schwule erfahren erst durch den Besuch des Trucks von dem Angebot. „Wir sehen immer: Da, wo wir waren, steigt anschließend die Zahl der Anfragen“, sagt Bergmann.

Um nachhaltiger helfen zu können, wäre Unterstützung durch die Politik wichtig. Doch die reagiert träge. „Wir hätten gerne, dass an den Tagen, an denen wir vor Ort sind, die Regenbogenflagge gehisst wird“, sagt Bergmann. Doch die Verwaltungen mauern oft. „Wir können keine Flaggen hissen, weil wir gar keinen Fahnenmast haben“, erklärt Oliver Köhler, Sprecher des Landkreises Barnim auf Siegessäule-Anfrage. Für Bergmann kein gutes Argument: Einige Städte würden auch ohne Fahnenmast die Rathäuser schmücken, etwa indem sie die Regenbogenflagge aus dem Fenster hängen. So weist die Fahnenanekdote auf ein tiefer liegendes Problem: fehlendes Verständnis für die Sorgen einer Minderheit.

Tobias Sauer

„LesBiSchwule T*our 2014“, Termine: 06.09. Potsdam, 08.09. Bernau, 09.09. Strausberg, 10.09. Werneuchen, 11.09. Bad Freienwalde, 12.09. Eberswalde, mehr Infos unter brandenburg-bleibt-bunt.de

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