premierenbericht

Unlöschbarer Rest Sehnsucht

10. Sept. 2014
© Arno Declair

„Never Forever” von Falk Richter und Nir de Volff/TOTAL BRUTAL an der Schaubühne

Am 09.09. war Premiere von Falk Richters neuem Stück „Never for ever“, für das er mit dem Choreografen Nir de Volff und seiner Kompanie TOTAL BRUTAL zusammenarbeitet.

Schneller Sex im Park oder im Baustellenklo, mit wechselnden Partnern, die zwar den Mund aufmachen dürfen, aber am besten nicht zum Sprechen. Alle 14 Tage mal ein Anruf, um mitzuteilen, dass ein Treffen gerade nicht geht, weil man ja so „monstermäßig busy“ und müde ist. Bloß keine Verbindlichkeit! Willkommen bei der Liebe in Zeiten von Smartphone, Facebook, Grindr, PlanetRomeo. Hochgradig überfordert, gestresst, unzufrieden, frei flottierend sind die Menschen, die Räume aus Glas und Stahl in „Never Forever“ von Falk Richter bevölkern. Wieder schaut Richter auf die Zusammenhänge zwischen Neoliberalismus, Postdemokratie und digitaler Revolution – und was das Ganze eigentlich mit den Menschen macht. Diesmal hat er einen Schwerpunkt auf die sozialen Medien gelegt.

Der Borderline-Modus „Ich hasse Dich. Verlass‘ mich nicht!“ wird zur Normalität. Was stört, was zu nah kommt, wird per Click gelöscht. Bloß keine Reibung, keine Auseinandersetzung. Die mehr oder minder erfolgreich selbstoptimierten ArbeitssoldatInnen in „Never Forever“ wollen stets die Regie über ihr Leben behalten – und haben dieses damit schon längst verloren. Ein obsessiver Kontrollwahn der Personen zieht sich als Leitmotiv durch das ganze Stück. Doch so funktioniert das eben nicht bei menschlichen Kontakten. Aber die müden Menschen bei Richter, die in der Choreographie von Nir de Volff zwischenzeitlich zuckend ihre Wut ablassen, haben davon schon keine Ahnung mehr. Das wird in Richters Stück, das sich diesmal düsterer gibt als seine letzten Produktionen, sehr eindrücklich deutlich. Was bleibt, ist die Restgröße Sehnsucht, die sich nicht auf dem Touchpad löschen lässt. Richters Versuch, jene andere Art der Kontrolle, die Online-Bespitzelung durch staatliche und multinationale Stellen, in Bezug zu seinen Figuren zu setzen, bleibt bei „Never Forever“ dagegen eher Behauptung und vermittelt sich theatral nicht zwingend. „Never Forever“ ist vielleicht nicht das größte Stück Falk Richters, aber ein wichtiges allemal.

Eckhard Weber

Schaubühne, 10.–12.9. + 22. + 23.10. jeweils 20:00 + 24.10., 20.30 Uhr

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