Interview: Enough is Enough

„Menschenrechte werden zu einer Priorität."

13. Sept. 2014
© Tanja Schnitzler

Im August 2013 schaffte es die Initiative „Enough is Enough! Open Your Mouth!" mehr als 7.000 Berlinerinnen auf die Straße zu bringen, um gegen die Menschenrechtsverletzungen durch das Anti-Homosexuellen-Gesetz in Russland zu demonstrieren. Seitdem hat die Initiative mehrere Projekte wie die Rainbowflame zu den Olympischen Spielen oder die Kampagne „Wann hast du entschieden, hetero zu sein?" verwirklicht und sich an Aktionen auf mehreren Prides dieser Welt beteiligt. Siegessäule-Autor Tobias Sauer hat mit Alfonso Pantisano gesprochen.

Ihr habt in nur einem Jahr mehrere große Demos organisiert, seid im Bundestag erwähnt worden, habt in den sozialen Netzwerken Follower aus aller Welt. Woher kommt dieser Erfolg? Ich glaube, die Leute sind heute wacher. Wir kriegen durch die sozialen Netzwerke viel mehr mit, ob in Uganda oder in Russland jemand homophob attackiert worden ist. Ich glaube, die Leute denken sich: Wir bauen bald Häuser auf dem Mond, wir landen mit einem Fallschirm punktgenau auf dem Mars, doch wir unterhalten uns immer noch darüber, ob zwei Männer oder zwei Frauen Hand-in-Hand durch die Gegend laufen dürfen. Da kann doch irgendwas nicht stimmen. Menschenrechte werden langsam zu einer Priorität.

Ein Bewusstseinswandel. Ja, und auch unter Heterosexuellen und besonders unter Eltern. Auf jeder Veranstaltung, auf der wir sprechen, fragen wir immer: „Wie viele Heterosexuelle sind hier?“ Es sind immer viele! Auf unserer Demo im August 2013 haben sich meine Freundin Natacza und mein Kumpel Alexander kennengelernt. Beide sind alleinerziehende Eltern und kannten sich nicht. Heute sind sie ein Paar. Während wir jetzt gerade sprechen, hocken die Zuhause und freuen sich ihres Lebens.

Ihr habt ziemlich viele Leute auf die Straßen bekommen, mehr als viele andere Initiativen. Sind die anderen so verschnarcht? Wir nutzen die sozialen Netzwerke und wir kommunizieren insofern, als wir den Leuten sagen, was wir uns wünschen, was wir brauchen. Beispiel Pride Kopenhagen: Ich war alleine aus unserem Team dort, und ich hatte eine Fahne dabei, die 14 Kilogramm wiegt und 25 Meter lang ist. Die kann nicht einer allein schleppen. Wir brauchen 45 Leute, damit die Fahne ordentlich getragen werden kann. Ich habe mich deshalb mit einer Kamera aufgenommen und gesagt: „Hey, wir kommen nach Kopenhagen zum Pride, haben eine große Fahne dabei, die ist 25 Meter lang und wir brauchen 45 Helfer.“ Und ich hatte dann dort 45 Leute stehen, die ich nie zuvor in meinem Leben gesehen habe.

Und das klappt immer? Man muss die Leute rufen. Da draußen gibt es ein Riesenpotential an Menschen, die gerne etwas leisten wollen, in ihrer freien Zeit, kostenlos, einfach nur um das Gefühl zu haben: Ich habe etwas beigesteuert. Wir haben uns in den letzten Jahren alle irgendwie erzählen lassen, dass die Leute nur an sich selbst denken und sich einen Dreck darum scheren, wie es anderen geht. Das stimmt nicht. Wir haben selten so viel Hilfsbereitschaft, Solidarität und Eigeninitiative erlebt, wie im letzten Jahr.

Die Fahnen, aber auch die ganzen Aufkleber, die ihr habt, die Materialien die ihr verteilt, das kostet ... ein Heidengeld.

Genau. Wo kommt das her? Aus Spenden. Das meiste Geld kommt von privaten Leuten. Wir haben eine Spende gekriegt von einer Frau, die wir nie gesehen haben, über 5.000 Euro. Eine andere Frau hat 2.222 Euro überwiesen. Und dann haben wir wahnsinnig viele Spenden über einen Euro bekommen. Einer hat geschrieben: Ich gehe am Wochenende nicht ins GMF, ich spare mir die 8 Euro und überweise sie euch. Wenn so eine Nachricht aufpoppt, denke ich: Wow. Und dann gibt es Unternehmen wie Lush. Lush hat einen Charity-Topf, aus dem sie kleine Gruppierungen finanziert und sie haben uns mehrmals unterstützt - ohne Werbung als Gegenleistung. Wir kriegen ja ständig zu hören: Es geht nicht ohne Sponsoren. Doch! Aber wir müssen den Unternehmen sagen, wie wir sie brauchen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Initiativen habt ihr in der Orga-Gruppe ausschließlich schwule Männer. In unserem Siebener-Team waren lesbische Frauen mit dabei. Nur: Es ist so viel Arbeitsaufwand, dass einige, auch von den Jungs, zwischendurch aussteigen. Wenn da draußen, und das ist vielleicht ein Appel, Leute sind, die sagen: Ich würde mich gerne engagieren, schreibt uns an! Wir sind sehr offen, vor allen Dingen freuen wir uns über Frauen. Wir sind froh über alle, die sagen: Wir machen da mit, wir wollen euch unterstützen, wir wollen etwas beitragen.

Für's nächste Jahr: Gibt es etwas, dass ihr geplant habt? Im Moment steht nichts an. Wenn wir nächstes Jahr noch aktiv sind, was wir glauben und hoffen, werden wir sehen, was wir machen. Es scheint die Menschen ja zu erreichen.

Interview: Tobias Sauer

enough-is-enough.eu

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