AUSSTELLUNG

Ficken für die Miete?

16. Sept. 2014
Schwules Museum Team Installation -Circle- der Berliner Künstlerinnenkooperation Benten Clay © Benten Clay

Die Finanzdecke des Schwulen Museums* ist dünn. Eine Maßnahme, das zu ändern sind Kunstauktionen wie die am 17. und 24.September. Im Interview: Birgit Bosold und Wolfgang Theis vom Museumsvorstand

16.09. – Das Schwule Museum* ist eine weltweit führende Einrichtung für queere Kultur und Geschichte. Seine Existenz anscheinend eine Selbstverständlichkeit für in Berlin lebende LGBTI ... Denn die besuchen das Museum vergleichsweise selten. Warum diese Tatsache nun die Existenz dieser Einrichtung gefährden könnte, klärte Chefredakteur Jan Noll im Gespräch mit den Vorstandsmitgliedern Birgit Bosold und Wolfgang Theis

Anderthalb Jahre Schwules Museum* am neuen Standort. Wie fällt eure Zwischenbilanz aus? Wolfgang: Es knirscht finanziell. Eine Vergrößerung – wir haben uns flächentechnisch verdoppelt – ist immer ein Wagnis. Wir haben gedacht, dass durch die neue Räume und ihre Lage mehr Menschen kommen. Es gibt keine Einbrüche, die Besucherzahlen steigen eher, aber sie steigen nicht genug. Birgit: Nicht schnell genug. Wir können dieses Jahr davon ausgehen, dass wir eine Steigerung von 10 bis 15 Prozent haben werden im Vergleich zum letzten Jahr. Wir hatten 2013 durch die Eröffnung eine enorme Presse. Da haben wir damit gerechnet, dass es besser läuft. 

Es gab also einen Peak zur Eröffnung und dann wurde es weniger? B: Dieser Peak hat uns finanziell aber nichts gebracht, weil ja Vernissagen immer kostenlos sind. Der Rummel um die Eröffnung hat nicht dazu geführt, dass anschließend mehr Leute das Museum besuchten. Das Problem liegt nicht im Umbau, da ist alles planmäßig gelaufen, sondern in den laufenden Kosten. Uns war klar, dass wir am Anfang Geld dazulegen müssen, um die höheren Kosten vor allem für die Miete auszugleichen, aber nicht so viel. Wir hatten Rücklagen dafür gebildet, die waren allerdings schneller aufgebraucht als geplant. Aber wie schon gesagt, wir hatten in der Vergangenheit immer mal wieder schwierige finanzielle Situationen und haben das immer gut überstanden.  

Hat sich denn die BesucherInnenstruktur verändert, seit ihr am neuen Standort seid? B: Nein, nicht wirklich. Wir haben letztens eine BesucherInnenumfrage gemacht und dabei ist das rausgekommen, was wir vorher schon wussten, nämlich dass wir zwei Drittel oder vielleicht sogar mehr touristische BesucherInnen haben … W: … wenn jeder zehnte Schwule, jede zehnte Lesbe aus Berlin sich auch mal hierherbewegen, nur einmal im Jahr ins Museum gehen und sechs Euro Eintritt zahlen, eben nicht zu Vernissage kommen würden, wären wir saniert. B: Wir haben weltweit einen erstklassigen Ruf, wir sind das führende Museum dieser Art. Diese Tatsache wird von queeren Berlinerinnen und Berlinern aber eher nicht wahrgenommen. Innerhalb der Community gibt es kein Bewusstsein dafür, dass die tolle Infrastruktur in Berlin nicht einfach so existiert. Man muss den Menschen, die das machen, auch Anerkennung geben und sie vor allem supporten. Alle leben von dieser Infrastruktur und alle tun so, als ob sie vom Himmel fällt. Das nervt manchmal.

Ich glaube, das ist die Essenz: ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass solche queeren Einrichtungen oder Angebote nur dann existieren, wenn man auch mal bereit ist, sie zu besuchen und etwas Geld dazulassen. Das gilt für das Schwule Museum* genauso wie für Eisenherz oder sonst was. Dann lasst uns mal Werbung machen: Was bringt bei euch die Herbst/Winter-Saison, wofür sollen die Leute sechs Euro ausgeben? W: Als die AHA noch am Mehringdamm saß, hatten die eine wunderbare Veranstaltung, die jedes oder jedes zweite Wochenende stattfand, die hieß „Ficken für die Miete“. Wir haben zum Jahresende die erste schwul-lesbische Pornoausstellung hier bei uns, und wir überlegen, ob wir das nicht auch machen sollen: „Ficken für die Miete“ in der Nacht von Freitag auf Samstag.

Großartig. In diesen Räumen? W: In diesen Räumen. Natürlich wird die Kunst dann abgehängt mit Plastikplanen. (lacht) So verzweifelt sind wir schon.

Na ja, in jedem Fall bringt so was die nötige Ironie in die Situation. W: Ironie soll auch sein. In der Vergangenheit haben uns die kleinen, schmutzigen Ausstellungen immer gerettet. Diese Tradition lebt jetzt wieder auf.

Die Porno-Schau ist aber eine große schmutzige Ausstellung. W: Das ist dann vielleicht was, das auch mal die Berliner Homosexuellen interessiert. (lacht)

Interview: Jan Noll

Kunstauktion von Werken des Filmregisseurs und Künstlers Lothar Lambert am 17.09. und 24.09. jeweils 19:00. Hier besteht für Besucher_innen die Möglichkeit; Gemälde und Zeichnungen des Künstlers zu einem speziellem Preis zu erwerben. Der Erlös geht dabei an das Schwule Museum*.

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