Kommentar

Der Schniedelschwindel

25. Sept. 2014
Siegessäule-Redakteurin Kaey © Hase Olivier

Ein Kommentar von Siegessäule-Redakteurin Kaey zur Transphobie in den Medien und der Community

– Sasa ist 23. Sie war eine der ProtagonistInnen im trashigen Dokuformat „Transgender – Mein Weg in den richtigen Körper“ bei RTL2. Eine mutige Entscheidung, wenn man bedenkt, auf welchem Niveau da Sendungen produziert werden. Andererseits gab es im deutschen Fernsehen bisher kein einziges Format, das sich regelmäßig mit dem Alltagsleben von Trans*menschen auseinandergesetzt hat. Sasa hat einen Einblick in ihr Leben gewährt und gezeigt, wie sie mit Hilfe unzähliger Operationen zu der Frau geworden ist, die sie schon immer sein wollte. Das Ergebnis ist ein überzeugendes Passing. Man sieht ihr also auf den ersten Blick nicht an, dass sie eine Trans*frau ist.

Selbstverständlich entspricht sie mit ihrer üppigen Oberweite, der schmalen Taille, dem glatten Gesicht und den langen dunklen Haaren dem gängigen Schönheitsideal. Dieses Weiblichkeitsbild ist so ideal, dass sie damit die perfekte Kandidatin für eines der hohlen Kuppelformate auf den beiden RTL-Kanälen ist. In „Kay One – Prinzessin gesucht“ auf RTL 2 will ab 29. September ein „Prominenter“ seine Traumpartnerin finden. DSDS-Juror Kay One hat demnächst die freie Auswahl aus 14 Kandidatinnen.

Es ist ein ausgeklügelter Schachzug der Produzenten, Trans*frau Sasa mit in die Riege der willigen Weiber einzureihen, denn wie erhofft, gibt es schon vor der ersten Sendung einen richtigen Medienskandal in den Klatschblättern der Nation. Die Bild redet vom Schniedelschwindel und der „TV-Transe“ und holt sich gleich den Zirkusclown Olivia Jones ins Boot, die den Männern praktische Tipps gibt, wie man eine Trans*frau enttarnt. Bei Sasa ist das nämlich kein Problem, denn sie hatte noch keine geschlechtsangleichende Operation. Genauer gesagt: Sie hat noch einen Penis. Daraufhin fühlte sich die Bild berufen, mal klarzustellen, dass Sasa im Grunde ja ein Mann ist oder milde ausgedrückt keine richtige Frau. Auch wenn Sasa sich eine geschlechtsangleichende Operation wünscht und damit dem weitverbreitetem Bild von trans*identischen Menschen entspricht, sieht die Realität ganz anders aus.

In der modernen Trans*bewegung sind Ausdrücke wie „im falschen Körper geboren“ oder „biologische Frau“ längst überholt, denn welchem Geschlecht ein Mensch angehört, ist nicht abhängig von äußeren Geschlechtsmerkmalen. Viele Trans*menschen haben nicht das geringste Bedürfnis nach einer geschlechtsangleichenden Operation und verspüren auch keinen Hass ihren Genitalien gegenüber. Leider ist es für viele Menschen immer noch unvorstellbar, dass man keine Vagina braucht, um sich vollkommen als Frau zu fühlen oder eben einen Penis, um sich vollkommen als Mann zu fühlen.

Zurück zum Medienskandal um Kay One. Sicherlich könnte man es einfach kopfschüttelnd hinnehmen. Die Bild bewegt sich schließlich auf einem ähnlichen Niveau wie RTL2 und RTL. Doch wenn wenige Tage später eine Welle des Protests durch die sozialen Medien geht, weil der Fernsehkoch Steffen Henssler in der Hauptsendezeit über „halbschwules“ Kochen schimpft, kann man sich schon fragen, wo die Prioritäten liegen. Denn offen zur Schau gestellte Transphobie ist auch 2014 noch immer völlig okay. Als Kay One während der letzten Staffel den Anblick von Boytunte Ryan Stecken mit Entgleisungen wie „Ich musste fast kotzen“ kommentierte, gab es in verschiedenen Trans*gruppen auf Facebook ein paar Reaktionen, doch die queere Presse hat das eigentlich nicht interessiert.

Man mag es kaum glauben, aber Transphobie gehört auch in der Community dazu. Die wenigsten setzen sich mit diesem Thema auseinander. Die Party-Dragqueen ist gern gesehen, aber Trans*menschen sind noch immer das große Mysterium. Ich weiß manchmal gar nicht, wo ich da noch anfangen soll und wie oft ich auf privater und auch beruflicher Ebene noch Aufklärungsarbeit leisten muss. Und das eben nicht nur bei meinen heterosexuellen Mitmenschen. Eigentlich hätte ich gedacht, man sei da im Jahr 2014 weiter. Nur wenige können zwischen Tunte, Dragqueen und Trans*frau unterscheiden. Ich glaube, jede einzelne Dragqueen in dieser Stadt musste schon die Frage über sich ergehen lassen, ob sie den Fummel auch im Alltag trägt oder davon sexuell erregt wird. Und als Trans*frau kommt einem die Frage, ob die Oberweite echt ist, auch zu den Ohren wieder raus. Dabei gibt es selbst auf Wikipedia eine relativ erträgliche Erklärung zum Thema.

Doch auch wenn ich mich in der queeren Medienlandschaft so umsehe, wird deutlich, dass queer im allgemeinen doch noch immer weißer, schwuler CIS-Mann bedeutet. Es geht meist darum, ob Mann endlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Es wird sich auch immer noch gefragt, ob die Tunte im allgemeinem dem schwulen Gleichberechtigungskampf eher schadet oder nützt. Ein Mann soll sich eben benehmen wie ein Mann! Das L, das B, das T und auch das I und das Q aus LGBTIQ fallen da gerne unter den Tisch.

Es geht also darum, weiterhin für Sichtbarkeit zu sorgen. Vielleicht schaffen wir es auch, uns irgendwann gemeinsam für die Sichtbarkeit aller Facetten, die außerhalb eines heteronormativen Spektrums liegen, einzusetzen und dass nicht einfach jedes Grüppchen nur seinen eigenen Brei kocht.

Kaey

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