Berlin

„Keine Zusammenarbeit mehr möglich“ – LSVD-Geschäftsführer verlässt Türkiyemspor

8. Okt. 2014

Der Berliner Fußballverein Türkiyemspor gilt als vorbildlich, wenn es um ein klares Statement gegen Diskrimininierung geht. Das gilt beim Thema Rassismus – im von vielen türkischstämmigen BerlinerInnen getragenen Verein spielen SpielerInnen verschiedener kultureller Herkunft bewusst zusammen in einer Mannschaft – ebenso wie für Homophobie. Überraschend hat nun aber der Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) Berlin Brandenburg Jörg Steinert seinen Rücktritt aus dem Aufsichtsrat des Vereins, dessen Mitglied er zudem war, bekannt gegeben. Wir sprachen mit Jörg Steinert über seine Gründe und den Vorwurf der Homophobie im Verein.

Jörg, du warst bis heute, neben deiner Funktion als LSVD-Geschäftsführer, noch im Aufsichtsrat beim Berliner Fußballverein Türkiyemspor. Warum bist du nun offiziell von diesem Amt zurückgetreten – was ist passiert? Vorausgegangen ist  dem Ganzen eine jahrelange gute Zusammenarbeit, das muss man zunächst ganz klar sagen. In der Zeit von 2006 bis 2013 sind wir, trotz zunächst einiger Widerstände, immer weiter zusammengewachsen, die Zusammenarbeit wurde immer vertraulicher. Das hat letztlich aus meiner Sicht den Ausschlag dazu gegeben, dass mich 2012 Vertreter aus dem Verein Türkiyemspor fragten, ob ich zusammen mit politischen Vertretern von den Parteien Linken, Grünen, SPD und CDU in den Aufsichtsrat gehe. Das habe ich auch gerne gemacht und im ersten Jahr war die Zusammenarbeit auch mit dem Vorstand sehr gut. 2013 entstand ein neuer Aufsichtsrat und es kam zu einer Neubildung des Vorstands dort. Und ab diesem Zeitpunkt hat unsere Zusammenarbeit eine zunehmend schwierige Entwicklung genommen bis zu dem Punkt an dem wir jetzt sind.

Welche Vorfälle gab es, welche Konflikte? Letztendlich hat sich der Konflikt im Rahmen eines eigentlich sehr positiven Ereignisses herauskristallisiert. Ab Sommer 2013 trug das heutige Freizeit-Team – damals 3. Herrenmannschaft – von Türkiyemspor das LSVD-Logo auf der Brust. Dort hatte man sowieso einen Trikot-Sponsor gebraucht und wollte dem Verein nicht auf der Tasche liegen; für eine Kreisklasse-C-Mannschaft ist das ja auch wirklich nicht einfach, einen Sponsor zu finden. Es gab dann hierzu auch einen Vertrag, der von beiden Vorständen – LSVD und Türkiyemspor – unterschrieben wurde. Aber sobald das publik geworden ist, gingen die Konflikte im Verein los. Beim allerersten Spiel, bei dem ich war, habe ich statt Zustimmung von Vereinsvertretern nur Kritik geerntet, bis hin zu der Aussage, es würde dem Verein schaden, man müsse doch Rücksicht auf religiöse Gefühle nehmen bis hin dazu, Rücksicht auf die Kinder von Eltern bei den Grauen Wölfen (einer nationalistischen Organisation in der Türkei; Anm. d. Red.), das muss man sich mal vorstellen!

und das wurde konkret so gesagt? Das wurde genannt, ja. Das war für mich der Anlass mit dem Vereinsvorsitzenden zu reden. Bei dem Gespräch hat sich allerdings herausgestellt, dass dieses Sichtbarwerden des Engagements vom Freizeit-Team für Akzeptanz von Schwulen und Lesben im Fußball so nicht gewollt war. In Folge dessen ist es dann auch zu Rücktritten im Vorstand gekommen. In den letzten Wochen ist die Konfliktlage dann in Eskalation kumuliert, obwohl wir von unserer Seite das zunächst noch sehr zurückgehalten haben. Beispielsweise hatten wir gesagt, obwohl es sehr viele Menschen gibt, die gerne dieses Türkiyemspor-Trikot mit dem LSVD-Sponsoraufdruck kaufen würden – und womit vor allem Türkiyemspor noch Einnahmen erzielen könnte, die wiederum dem Insolvenzverein helfen würden – stellen wir das hinten an. Dann wurden jedoch Pressetermine zum Teil ohne mein Wissen vom Vereinsvorsitzenden abgesagt. Sport1 wollte ein Spiel drehen, doch es wurde Ihnen untersagt auf dem Platz exakt dieses Team mit dem LSVD-Logo zu drehen. Das sind alles Sachen, die mich schon geärgert hatten, wo ich mir aber eine Weile lang noch selbst gesagt habe, okay, manche Sachen muss man manchmal einfach ertragen. Aber spätestens als vor zwei Wochen dann der Vorstand in einer ad-hoc-Situation entschieden hat, dieses Freizeitteam vom Spielbetrieb abzumelden, ist es zum Bruch gekommen. Ein Team wegen dessen gesellschaftlichem Engagement vor die Tür zu setzen, ist mit unseren Vorstellungen beim LSVD nicht vereinbar. Zumal die Saison ja schon begonnen hat! Dieses Team hätte jetzt nirgends anders mehr unterkommen können – sie wären sozusagen heimatlos. Bis heute gibt es hierfür keine vernünftige Begründung, es wurde einfach gemacht und nur aus finanziellen Gründen vom Insolvenzverwalter gestoppt; denn auf die Mitgliedsbeiträge der Spieler kann der Verein nicht verzichten.

Wie geht es jetzt weiter? Stehen noch Gesprächstermine mit Türkiyemspor an oder ist der Kontakt jetzt völlig abgebrochen? Das eine ist mein persönlicher Rückzug an der Stelle. Die andere Sache ist, dass es faktisch ein Freizeit-Team gibt, auf deren Trikot immer noch Lesben- und Schwulenverband draufsteht und die ihren Spielbetrieb bestreiten wollen. Deswegen habe ich mich heute Morgen an den Präsidenten des Berliner Fußballverbandes, Bernd Schultz, und dessen Vize-Präsidenten, Gerd Liesegang, gewandt und darum gebeten, dass der Fußballverband – in dessen Wirkungskreis ja Türkiyemspor seinen Spielbetrieb abhält – dafür Sorge trägt, dass der Spielbetrieb auch für dieses gesellschaftlich sehr engagierte Freizeit-Team gewährleistet wird. Die zweite Sache ist, dass da ein bisschen das Restherz natürlich noch für Türkiyemspor schlägt ist, das heißt, für dessen Mitglieder. Es gibt bei Türkiyemspor wie in jedem anderen Verein auch das Recht auf eine ordentliche Mitgliederversammlung, die jährlich zu erfolgen hat, die eigentlich hätte bereits im Frühjahr diesen Jahres stattfinden müssen. Aus bis heute nicht nachvollziehbaren Gründen fand sie jedoch bislang nicht statt. Ich bin eben auch der festen Überzeugung, dass es viele Menschen im Verein Türkiyemspor gibt, die ein anderes Gesellschaftsbild haben als Teile des Aufsichtsrats und des Vorstands, welche das Geschehen leider gerade dominieren. Diese Auseinandersetzung muss sich Türkiyemspor natürlich intern stellen, wo ich auch auf einen guten Ausgang hoffe. Ich habe da allerdings keinen Einfluss mehr darauf, da ich aus dem Verein auch ausgetreten bin. Es war ein konsquenter Cut nötig. Ich bin nunmal der Vertreter des Lesben- und Schwulenverbandes – der sich jedoch freut, dass es dieses Freizeit-Team mit dem LSVD-Logo gibt. Mit diesem Vorstand allerdings ist derzeit eine Zusammenarbeit nicht möglich.

Interview: Melanie Götz

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