Bühne

Der andere Blick: „Die schöne Helena"

10. Okt. 2014
© Gunnar Geller

Intendant Barrie Kosky inszeniert Jacques Offenbachs „Schöne Helena“ und setzt damit seine ebenso erfolgreiche wie durchgeknallte Reihe von Operetten an der Komischen Oper fort. Premiere ist am 11.10.

– Eine der Säulen von Barrie Koskys viel gelobter Repertoireplanung an der Komischen Oper ist die Operette. Das Theater, vergangenes Jahr zum „Opernhaus des Jahres“ gekürt, entwickelt sich zum Eldorado für das Genre. Kosky und sein Team haben schon mehrere quirlige Jazz-Operetten aus der Zeit der Weimarer Republik ausgegraben, darunter „Ball im Savoy“ mit Dagmar Manzel und „Clivia“ mit den Geschwistern Pfister. Produktionen, die auch in dieser Saison zu sehen sind. Mit der nächsten Premiere wagt sich Barrie Kosky nun in die Frühzeit der Operette, zu dem, der’s erfunden hat, zu Jacques Offenbach. Dessen Antiken-Travestie „Die schöne Helena“ hat im Oktober Premiere in einer Neuinszenierung von Kosky. Weshalb, wer „Operette“ sagt, auch „Offenbach“ sagen muss, erklärt er im Interview: „Offenbach ist das Mutterschiff aller Operetten“, schwärmt er. „Ohne ihn würden wir diese Operettentradition, so wie sie ist, nicht haben. Die Musik von Stücken wie der ,Schönen Helena‘ ist genial: Diese geradezu endlose Reihung von Melodie auf Melodie, Ohrwurm auf Ohrwurm! Man sieht bei Offenbach, dass er diese ganzen Formen entwickelt hat, die dann später Strauß, Lehár und die Komponisten der Berliner Jazz-Operette weitergeführt haben.“ 

Die Handlung der „Schönen Helena“ stammt aus der griechischen Mythologie. Doch die Geschichte um den Raub der Helena, der den Trojanischen Krieg auslöst, hat Offenbach kräftig entstaubt und in die Niederungen des Alltags verfrachtet: Helena wurde ungefragt an einen reichen Alten verheiratet, Menelaos, König von Sparta. Bald wirft sie jedoch ein Auge auf den schicken, jungen trojanischen Königssohn Paris, der sich undercover – als Hirte getarnt – in Sparta aufhält. Mit List und mit Hilfe der Liebesgöttin Venus gelingt es dem Paar, den gehörnten Ehemann endgültig hinters Licht zu führen. Statt hehrer Helden führt Offenbach Schlappschwänze, Aufschneider und Prahlhänse vor – und eine Frau, die ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt. Vor 150 Jahren, als das Stück uraufgeführt wurde, war so etwas natürlich unerhört. Offenbach macht sich frech über bürgerliche Moralvorstellungen lustig und zeigt eine Alternative zum damaligen Frauenbild auf. Der in Deutz, heute Köln, geborene jüdische Komponist, der in Paris Erfolge feierte, hatte die geschärfte Beobachtungsgabe des Marginalisierten, findet Kosky, der selbst Australier mit jüdischen Wurzeln ist: „Offenbach war ein Fremder, ein Ausländer, er hatte einen eigenen Blick auf diese Kultur. Es ist der Blick auf eine andere Kultur, der diese manchmal besser versteht als die Menschen im Land.“

Im Gegensatz zu den vergangenen Operettenpremieren an seinem Haus, wo Gastkünstler in den Hauptpartien glänzten, setzt Barrie Kosky bei der „Schönen Helena“ mit Sängerinnen und Sängern wie Nicole Chevalier, Tansel Akzeybek und Peter Renz ausnahmslos auf sein Ensemble. Er nimmt sich intensiv Zeit für die Proben, Humor sei schwere Arbeit, die Dialoge zwischen den zündenden Musiknummern müssen Tempo haben, das Timing muss stimmen. Nur dann komme das Witzige leicht über die Bühne, sagt Kosky. Es sei „viel anstrengender, bei einer Operette Regie zu führen als bei einer Wagner-Oper“. Man darf also gespannt darauf sein, wie die Funken bei Offenbach sprühen werden.

Eckhard Weber

„Die schöne Helena“, 11. (Premiere), 17., 19. und 25.10., Komische Oper Berlinkomische-oper-berlin.de 

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