Interview: Marco Kreuzpaintner

„Ich bin der schwule Anwalt in der deutschen Medienbranche"

23. Okt. 2014
© Anne Wilk / Summerstorm Entertainment / Warner Bros.

Die Geschichte seines neuen Films „Coming In“ brachte Regisseur Marco Kreuzpaintner den Vorwurf der Homophobie ein. Ein schwuler Starfriseur verliebt sich in eine Frau und verlässt daraufhin seinen Lebensgefährten. Der Plot erinnert fatal an das alte Klischee, dass nur die Richtige oder der Richtige kommen muss, damit man von seiner Homosexualität kuriert wird. Und auch sonst wirft der Film mit altbackenen Homo-Klischees um sich. Siegessäule-Autor Daniel Segal hat Marco Kreuzpaintner zum Gespräch getroffen, um mit ihm über die Kritik vonseiten der Community, aber auch über seinen persönlichen Bezug zur Story des Films zu sprechen

Es gab schon während der Dreharbeiten von Coming In“ viel Kritik seitens der Community. Was sagst du dazu? Also, was viele nicht wissen: Ich habe einige Dinge verteidigen müssen. „Können wir nicht am Ende das schwule Pärchen weglassen?“ war da z.B. ein Anliegen. Gerade deshalb bin ich auch ein wenig genervt von der Kritik, denn kaum jemand ahnt, wie viel Druck auf einem lastet, einen Film mit Millionenbudget zu machen und das in einer rein heterosexuell dominierten Filmwelt. Da fühle ich mich selbst manchmal als schwuler Outlaw. Ich bin der totale schwule Anwalt in der deutschen Filmbranche. Deshalb verletzten mich Kommentare wie auf queer.de.

Aber zeichnet es einen schwulen Anwalt aus, wenn man wie in deinem Film vor allem schwule Klischees abbildet: Ekel vor Frauen, Interesse für Beauty und Fashion? Ich glaube, dass nur Wahrheiten zu Klischees werden. Und: Eine Komödie schreit nach Überhöhung und du musst Klischees einsetzen, sonst funktioniert sie nicht. Ich gebe zu, dass der Film mit Klischees arbeitet, aber ich finde, es sind liebevolle Klischees. Und ich denke, man merkt, wie sehr ich diese Figuren liebe und auch, dass ich mich nicht über sie lustig mache.

Inwieweit hat die Homo-Clique in „Coming In“ etwas mit deinem eigenen Bekanntenkreis zu tun? Es ist meine Realität. Allerdings bin ich auch nicht in Berlin-Mitte, sondern in Bayern groß geworden und vielleicht hat sich dadurch ein anderer Freundeskreis entwickelt.

Hat auch die Geschichte von „Coming In“ einen persönlichen Bezug? Ja. Es war so, dass ein guter Freund von mir, mit dem ich auch mal zusammen war, plötzlich mit einer Frau ankam. Ich hatte damit gar kein Problem, aber in meinem Bekanntenkreis, und da gerade bei den Älteren, gab es einige, die das völlig absurd fanden.

Warum? Vielleicht weil sie einer anderen Generation angehören, die noch sehr politisch für die Anerkennung von Homosexualität gekämpft hat. Wahrscheinlich haben die auch deshalb einen Spruch gebracht, den man sonst eher nur andersrum kennt: „Naja, das ist ja sicher nur eine Phase, die geht wieder vorbei.“ Ich hab mir gedacht: „Moment mal Jungs, ihr benutzt gerade genau den Wortlaut, den wir von manchen Heten kennen, die nach einem Coming-out ein Problem haben.“

Aber bestätigen deine Charaktere nicht manche Zuschauer in ihren stereotypen Vorbehalten gegenüber Homos? Erstens denke ich, dass ich mich nicht dafür entschuldigen kann, wenn der Film für die Bestätigung des eigenen Standpunkts missbraucht wird. Außerdem ist es auch nicht meine Aufgabe, Leute umzuerziehen, weder in die eine noch in die andere Richtung. Ich sehe meine Aufgabe darin, Menschen zu unterhalten. Das tu ich und ich hoffe, ich mach das schwuler als jeder andere in Deutschland. Da muss man mir erst einmal beweisen, wo der schwule Mainstream-Film ist, der in 400 Multiplex-Kinos gleichzeitig anläuft, wo sich ein heterosexuelles Massenpublikum mit sechs schwulen Charakteren auseinandersetzen muss. Insofern glaube ich, dass „Coming In" der ultimative Coming-out-Film ist.

Wieso? Denkst du, dass eine wirkliche Coming-out-Story als massenkompatible Komödie nicht funktionieren würde? Ein Coming-out-Film hat noch nie im Popcorn-Kino stattgefunden. Ich denke, es gibt einige schöne Filme, aber die sind dann oft für ein rein schwules Publikum und ich möchte eben Geschichten für alle erzählen. Geschichten allerdings, die sich ein Gesamtpublikum ansonsten nicht angucken würde.

Interview: Daniel Segal

„Coming In“, ab 23.10. im Kino

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