Premiere im Friedrichstadtpalast

Exotisierend: „The Wyld"

23. Okt. 2014
© Bernhard Musil

Die neue Show des Friedrichstadtpalastes startet am 23.10. Wir haben sie bei der Presse-Premiere vorab für euch getestet

– Am 22.10 feierte die neue Show „The Wyld" in Friedrichstadtpalast Presse-Premiere. Das Haus, das durch eine konsequente Haltung zu homo- und menschenrechtlichen Fragen (Absage eines Gastspiels in Russland, Ausladen sämtlicher DiplomatInnen aus Ländern, in denen die Diskriminierung von Homosexuellen staatlich gefördert wird) in letzter Zeit zu Recht Unmengen von Sympathiepunkten sammeln konnte, schickte sich an, den phänomenalen Erfolg des Vorgängers „Show Me" zu toppen. Was die Produktionskosten der von Thierry Mugler und Roland Welke konzipierten Show betrifft, ist ihnen das auch gelungen – 10 Millionen Euro ist das bisher größte Budget des Palastes. 

Dennoch stellte sich in der ersten Hälfte der Show, die mit BMX-Ballett, Stepptanz und Pudel-Dressur wie eine eher konzeptlose und recht konventionelle Zirkusrevue daher kam, die Frage, wo genau die zehn Millionen eigentlich hingeflossen sind. Da knallten Shows wie „Yma" oder „Show Me" schon am Anfang deutlich mehr. Einziges Highlight des ersten Blocks waren die Muckiboys der Artistengruppe White-Gothic, die ihre geradezu beängstigend muskulösen Körper auf abenteuerliche Art und Weise stapelten.
 
Sicherlich lag es nicht an der Pausenansage – sinngemäß:  „Pipitime – remember, the more you drink, the better we look" – dass es nach der Pause interessant wurde. Der Palast holte endlich die Werbe-Ikone der Show aus dem Kasten: Nofretete hatte ihren großen Auftritt. Die ägyptische Gruft wurde unmissverständlich mit dem Berghain analogisiert, zu pumpenden Deep-House-Klängen wurde in großartigen Kostümen umher gestakst. Die Mission der zweiten Teils war klar: alles reinpacken, was Berlin für Touristen zu bieten hat – Berghain, Marlene Dietrich, Punk, Kreuzberg, Sally Bowles, Fernsehturm, türkische Shisha-Kultur und eben Nofretete, zusammengehalten vom Schlachtruf „Ich bin ein Berliner". Dass die Revue dabei mit exotisierenden oder einfach nur platten Klischees arbeitete, hinterließ trotz der tollen Inszenierung einen faden Beigeschmack. Dennoch schwangen sich Publikum und Show so langsam aufeinander ein, und mit Einlagen wie „1000 Hands", glitzernden Nächten auf der Spitze des Fernsehturms oder der krassen Luftakrobatik des Duos Makov wurde „The Wyld" dann doch noch zu einer großen Nummer. Ob die Revue allerdings ohne eine dramaturgische Nachbearbeitung dem grandiosen Drive und Erfolg von „Show Me" das Wasser reichen kann, bleibt abzuwarten. 
  
Jan Noll

„The Wyld“, 23.10., 19:30 (Premiere), ab 24.10., Di.–Fr., 19:30, Sa./So. 15:30 und 19:30, Friedrichstadt-Palast, palast-berlin.eu

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