BÜHNE

Vom Skandalstück zur Groteske

14. Nov. 2014
Kissing Mr. Sloane: Aleksandar Radenković (li.) © Ute Langkafel

14.11. – Das Stück war ein Skandal, als es 1964 erstmals in London gezeigt wurde. Allerdings befeuerte dies Joe Orton, der schwule Autor von „Entertaining Mr. Sloane“ (Seid nett zu Mr. Sloane), sogar selbst mit, indem er damals unter Pseudonym moralisierende Protestbriefe gegen sein Stück schrieb. Kein Wunder, dass sein Erstlingswerk für Furore sorgte. Worum geht’s? Mr. Sloane, sexy, adrett, freundlich, ist der neue Untermieter im Haus der vereinsamten Kathy und ihres karrieregeilen Bruders Ed. Der Kniff im Stück: Beide begehren ihn. Nur deren Vater, der senile Kemp, meint, in Sloane den Mörder seines früheren Chefs zu erkennen. Als sich die Situation zuspitzt und Sloane den alten Kemp umbringt, hat das Geschwisterpaar den Untermieter in der Hand – und teilt ihn sich als Liebhaber. In Zeiten vor der Gay Liberation war so eine Personenkonstellation in einem very britisch daherkommenden Krimi natürlich ein Aufreger.

Regisseur Nurkan Erpulat scheint in seiner Neuinszenierung am Gorki der Sache nicht mehr zu trauen. Er setzt  dagegen auf Klamauk, Klamotte, Slapstick. Außer Mr. Sloane sind alle Figuren reichlich überdreht, letztendlich Karikaturen: Das sexuell ausgedörrte späte Mädchen Kathy, der verklemmte, jähzornige Karrierist Ed, der infantile Greis Kemp. Zwischendurch wird immer mal zum Mikro gegriffen, um kurzfristig Emotionen wie im Musical campy auszustellen. Judith Butler wird paraphrasiert und – Mr. Sloane wird am Gorki vom afrodeutschen Schauspieler Jerry Hoffmann dargestellt  – Thesen des Postkolonialismus, leider ohne Konsequenzen, nämlich ohne konkrete Spuren in der Inszenierung zu hinterlassen. Der Abend ist nicht zuletzt deshalb etwas lahm. Vor allem auch weil die unbehagliche Fallhöhe in der Hauptfigur des Mr. Sloane, der im Original ja gar nicht so nett ist, wie er erst tut, von Nurkan Erpulat gar nicht zugelassen wird. Dafür zeichnet er seinen Mr. Sloane viel zu sympathisch – und letztlich zu eindimensional. Dennoch: Die Produktion hat einige große Momente , vor allem durch die bravourösen SchauspielerInnen. Etwa wenn Thomas Wodianka aus seiner Sterbeszene virtuos-skurril eine melodramatische Rockoperneinlage herausschlägt. Das ist ziemlich witzig. Aber warum dieses Stück heute noch viel zu sagen haben soll, konnte dieser Abend einem überhaupt nicht vermitteln.

Eckhard Weber

„Entertaining Mister Sloane“, Maxim Gorki Theater, weiterhin auf dem Spielplan

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