MUSIK

Es singt die Königin – am 17.11. im Lido

15. Nov. 2014
Trotzige Tuntigkeit by Perfume Genius (c) Luke Gilford

Der schwule Singer/Songwriter Perfume Genius bricht auf seinem Album „Too Bright“ eine Lanze für die trotzige Tuntigkeit. Warum das Ganze so düster klingt, klärten wir mit ihm im Interview

„Der Titel ,Too Bright‘ ist eine Ansage an all die Leute, die mir sagen, ich solle mich dezenter und mehr wie ein Mann benehmen, wenn ich ernst genommen werden will“, erläutert der aus Seattle stammende Singer/Songwriter Mike Haderas alias Perfume Genius den Namen seines dritten Albums im Interview mit SIEGESSÄULE. „Ich wollte auf dem Cover weiche Farben, schillernde und glitzernde Tuntigkeit als kraftvolle Waffe präsentieren. Vielen Menschen bin ich zu grell, zu schwuchtelig, einfach zu viel.“

Kennt man die zarten und zitternden Piano-Balladen von Perfume
Genius, die seine reduzierten Alben „Learning“ (2010) und „Put Your Back N 2 It“ (2012) dominierten, ist „grell“ mit Sicherheit das letzte Adjektiv, das einem beim Hören durch den Kopf geht. Auch auf „Too Bright“ bleibt der gedämpfte Charakter seiner mitunter recht experimentellen Musik erhalten, doch gemeinsam mit Produzent Adrian Utley von Portishead wurde ein deutlich abwechslungsreicher instrumentierter Sound kreiert, der tief in die dunklen Gefilde der Psyche zu dringen scheint. „Adrian hat einfach eine Menge technisches Know-how, das ich nicht habe“, erzählt Haderas über die Zusammenarbeit. „Ich kannte natürlich seine früheren Arbeiten und wusste, dass er keine Angst haben würde, mit mir zu den schwärzesten und unangenehmsten Regionen zu reisen, die ich auf der Platte abbilden wollte.“

So finden sich neben den klassischen Balladen immer wieder verzerrte elektronische, krachige und perkussive Elemente, die in Kombination mit Haderas’ mitunter wimmerndem Gesang ein weitgehend  beklemmendes Gesamtbild erzeugen. Höhepunkt ist dabei das wabernde, gesanglich bestenfalls genuschelte „I’m A Mother“, das sich mit der Tatsache auseinandersetzt, dass er rein biologisch betrachtet als schwuler Mann gemeinsam mit seinem Partner keine Kinder zeugen kann. „Ich hab mich damit eigentlich nie befasst, bis ich älter wurde und in einer festen Beziehung war. Mein Freund möchte Kinder, und nachdem ich darüber nachgedacht hatte, entstanden neue Fragen“, erzählt Haderas. „Zum Beispiel die, wozu ich eigentlich hier bin? Das Kinderkriegen selbst trat also in den Hintergrund, aber die damit verbundenen Fragen blieben.“

Auch andere Songs, wie beispielsweise die erste Single „Queen“ – begleitet von einem großartigen Video des Musikers und Künstlers Cody Critcheloe alias SSION –, befassen sich mit Themen einer schwulen Lebensrealität. Eigentlich sollte die Reise ursprünglich in eine andere Richtung gehen – weniger speziell, sondern allgemeingültiger, kommerzieller sollte das Album werden: „Ich muss mit meiner Musik Geld machen. Ich habe keinen College-Abschluss, keine Ersparnisse, keine Berufserfahrung. Ich dachte, ich könnte vielleicht größeren kommerziellen Erfolg haben, wenn ich meine Musik weniger explizit und thematisch verstörend gestalten würde. Aber was dabei herauskam, fühlte sich unpersönlich und hohl an. Also tat ich schließlich genau das Gegenteil und ,Too Bright‘ wurde konfrontativ, verstörend und düster.“ Ganz ehrlich: zum Glück.

Jan Noll

SIEGESSÄULE präsentiert:

Perfume Genius live im Lido, 17.11., 20:00

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