BÜHNE

Schafe, Samos, Stress

23. Nov. 2014
Martin Seifert, Laura Tratnik, Raphael Dwinger (v.l.n.r.) (c) Lucie Jansch

Katharina Thalbach inszeniert Heinrich von Kleists „Amphitryon“ am Berliner Ensemble

Typisch antike Götter, immer scharf und stets gehen sie auf Kosten der Menschen ihren Launen nach: Jupiter ist es auf dem Olymp zu langweilig, also mischt er sich unter die Sterblichen. Weil der Feldherr Amphitryon gerade in der Schlacht ist, nimmt der Chef-Gott dessen Gestalt an. Und macht sich auf diese Weise an Amphitryons Frau Alkmene ran. Als der echte Amphitryon früher als erwartet nach Hause kommt, ist die Verwirrung perfekt und die Menschen blicken immer weniger durch. Vor allem, weil auch noch Götterbote Merkur die Identität von Amphitryons Diener Sosias annimmt.

Der römische Dichter Plautus hat dieses Geschehen komödiantisch ausgestaltet, Molière den Stoff genutzt, um auf eine Liaison des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. anzuspielen. Den Preußen Heinrich von Kleist reizte Molières französische Komödie für eine deutsche Bearbeitung. Doch dem getriebenen, innerlich zerrissenen Kleist geriet die Verwechslungsgeschichte zur Tragikomödie.

Wenn schon das Komische auf die Bühne zu bringen eine große Kunst ist, um wie viel mehr dann die Mischung? Katharina Thalbach, erfahrene Tragikomödiantin und Theatertier, hat sich das Kleist-Stück jetzt am Berliner Ensemble als Regisseurin vorgenommen. Dem Kleist fügt sie in ihrer eigenen Fassung einiges von Plautus und Molière hinzu und garniert es großzügig mit griechischer und griechisch klingender Musik, inklusive Bouzouki. Sie haucht mit ihrem Produktionsteam der Antike Kleists südliches Licht und mediterrane Sinnlichkeit ein  und versetzt dies noch mit operettiger Leichtigkeit, mit Kalauern und Comic-Action. Dabei spielt Thalbach süffisant mit Klischees, von arkadischen Plüschschafen bis zum Samos vom Griechen um die Ecke. Merkur kommt als goldbestäubter Metrosexueller mit Blumen im Haar daher, der in Gestalt von Amphitryons Diener Sosias zwar keine Lust auf dessen Frau, aber Interesse an einem gebräunten, lockigen Surfer hat. Sympathisch auch die Idee, Jupiter als älteren Mann zu präsentieren, der Alkmene im Bett leidenschaftlicher verwöhnt als der jüngere Amphitryon.

Die Dialoge hätten trotz all dieser Zutaten phasenweise noch mehr Tempo vertragen, dann wäre die Komödie noch spritziger ausgefallen. Die tragischen Töne dagegen lässt Katharina Thalbach mit ihrem profilierten Ensemble sensibel und auf den Punkt durchscheinen: Der alte Zausel Jupiter ist zwischendurch von seinem Ausflug überfordert und weiß sowieso, dass er Alkmene nicht lange an sich binden kann. Amphitryon ist verstört, weil sein allzu starres Weltbild wankt. Und Alkmene muss letztlich alles ausbaden, weil sie ernüchtert zurückbleibt – zerrieben zwischen der Illusion göttlicher Liebe und der Realität des faden Ehemanns.

Eckhard Weber

„Amphitryon“, nächste Termine 23. und 29.11., danach 1., 6., 19.12., Berliner Ensemble

Folge uns auf Instagram

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.