Berlin

Respektpreisverleihung 2014

25. Nov. 2014
Klaus Wowereit (li.) und Respektpreis-Gewinner Halil İbrahim Dinçdağ © Sally B.

Am 24.11. wurde zum fünften Mal der Respektpreis vom Bündnis gegen Homophobie im Festsaal des Bündnispartners Grand Hotel Esplanade verliehen. Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit übergab als Schirmherr den Preis. Unter den Nominierten waren neben dem Preisträger die queere Rapperin Sookee, die im Hip Hop sprachgewaltig Partei für Homosexuelle und Trans*menschen ergreift, die Initiative junger Männer HEROES, die sich gegen Unterdrückung und Diskrminierung im Namen der „Ehre“ einsetzt sowie eine Gruppe Trans*menschen, die im Rahmen der Wanderausstellung „Trans* in Arbeit“ sich öffentlich am Arbeitsplatz zu ihrer queeren Identität bekannten und Stellung bezogen gegen Transphobie.

Gewonnen hat Halil İbrahim Dinçdağ. Der türkische Schiedsrichter und Radiomoderator verlor nach seinem Coming-out fast alles. Im Zuge seiner Einberufung zum Militärdienst 2008 outete sich Dinçdağ, um der systematischen Erniedrigung homosexueller Männer im türkischen Militär zu entgehen. Daraufhin durfte er aus dem Militärdienst ausscheiden – nicht jedoch ohne per Gutachten eine „psychosexuelle Störung“ bescheinigt zu bekommen. Vom Türkischen Fußballverband wurde daraufhin sein Vertrag als Unparteiischer wegen angeblich „mangelnder Qualifikation“ nicht verlängert. Dagegen klagt Dinçdağ bis heute auf Schadenersatz und Wiedereinsetzung als Schiedsrichter. Auch seine Stelle als Radiomoderator in Trabzon wurde ihm nach seinem Coming-out gekündigt. Angriffe bis hin zu Morddrohungen folgten, sollte er nicht von seiner Forderung, wieder Fußballspiele pfeifen zu dürfen, abrücken. Einige seiner Freunde sowie seine Familie unterstützen den heute arbeitslosen jungen Mann und Aktivisten für LGBT-Rechte nun in seinem Kampf um Anerkennung und gegen Diskriminierung. Morgen steht in der Türkei Dinçdağs Gerichtsverhandlung an. Von der positiven Signalwirkung dieser Preisverleihung ist er überzeugt, da diese sich auch schnell in der türkischen Öffentlichkeit streuen werde und so auch auf das Gericht Einfluss nehmen könnte: „Und deswegen denke ich, der Preis wird auf mein Verfahren einen positiven Effekt haben, weil ich geehrt werde für mein Engagement“.

Auch sonst stand der Fußball in seiner Funktion als Breitensport mit Vorbildfunktion bei der gestrigen Preisverleihung einigermaßen im Fokus. So wurde im Rahmen des Berichterstattung des Bündnisses gegen Homophobie noch einmal auf die negativen Vorfälle rund um den Kreuzberger Verein und Bündnismitglied Türkiyemspor, eingegangen (SIEGESSÄULE berichtete). Die Signale der Distanzierung gegenüber homosexuellen Lebensweisen seien „nicht unbedingt das, was wir uns von einem aktiven Bündnismitglied vorstellen“, so Projektleiter des Bündnisses gegen Homophobie, Danilo Höpfner (LSVD). „Homophobie bei einem Mitglied im Bündnis gegen Homophobie, das werden Sie sicher verstehen, bereitet uns ganz besondere Bauchschmerzen“ so Höpfner, der die Preisverleihung moderierte, weiter. Man habe sich daher vom Bündis dafür entschieden, die Mitgliedschaft des Fußballvereins Türkiyemspor „bis auf weiteres auf Eis zu legen“. Das sei (noch) kein Ausschluss, sondern man setze darauf, „dass sich die Kräfte der Vernunft und der Toleranz wieder durchsetzen“.

Ganz andere und deutlich engagiertere Signale kamen dagegen von zwei Vereinsfunktionären des 1.FC Union Berlin. Sie kamen dem Aufruf nach, sich im Bündnis gegen Homophobie – in dem auch Lokalrivale Hertha BSC schon einige Zeit Mitglied ist – beizutreten. Die Unterschrift als 90. Bündnismitglied wurde noch live auf dem Podium unter den Bündnisvertrag gesetzt. Ebenfalls positive gesellschaftliche Signale scheinen dem traditionell zur jährlichen Preisverleihung verlesenen aktuellen Bericht der polizeilichen Kriminalstatistik entnehmbar. Margarete Koppers, Polizeivizepräsidentin, stellte die Berliner Kriminalitätsstatistik mit Bezug auf Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung und die geschlechtliche Identität vor. Die Zahl homo- und transphober Delikte sei demnach – gegenüber dem Vorjahreszeitraum mit 128 Straftaten gegen LSBT – rückläufig. Für die ersten drei Quartale 2014 wurden bislang 63 Fälle erfasst, im Jahr zuvor im Vergleich dazu 94. Auch der Anteil der Gewaltdelikte ist demnach gesunken.

Melanie Götz

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