CSD

Was macht eigentlich der CSD e. V.?

3. Dez. 2014
Lutz Ermster und Angela Schmerfeld

Interview mit dem Vorstand des CSD e. V. über personelle Veränderungen und die Konflikte beim diesjährigen CSD

Sprechstunden, Stammtische, Round Tables, Foren: Der CSD e. V. startet mit neuen Kommunikationsstrategien in die Saison. Heute Abend wird dann im SchwuZ das erste CSD-Forum stattfinden, in dem über das Leitthema des CSD 2015 abgestimmt werden soll. Nach diversen Absagen gab's endlich ein Interview mit Angela Schmerfeld und Lutz Ermster vom Vorstand

Angela, du bist neu im Vorstand des CSD e.V. Erzähl mal, in welchem Zustand du den Verein vorgefunden hast, als du im Juni dazu kamst. Angela: Das ist ein sehr spannender Verein mit vielen kompetenten und aktiven Mitgliedern. Der Verein war in der Situation, sich neu zu finden, sich neu aufzustellen, zu reflektieren. Und ich hatte das Glück, mich in einem Verein in den Vorstand wählen zu lassen, der gerade auf Herz und Nieren geprüft worden ist.

Eure Agenda ist ja wahrscheinlich gerade: Transparenz, Offenheit, Kommunikation. Jetzt habt ihr euch ja zunächst geweigert, uns ein Interview zu geben. Warum habt ihr so lange gezögert, als es darum ging, uns dieses Interview zu geben? Lutz: Wir hatten im September die Mitgliederversammlung, wir hatten die Round-Table-Gespräche und wir hatten die Vorbereitung der Klausur. Und da fanden wir, dass es Sinn machen würde, diese Punkte erstmal abzuwarten, weil wir danach auch etwas aussagefähiger gewesen wären, als wir es zu diesem Zeitpunkt waren. Das waren also vornehmlich organisatorische Gründe.

Der Vorgang war aber eigentlich ein ganz anderer. Ihr hattet uns ein Interview zugesagt unter ganz bestimmten Umständen. Als wir die in einem Punkt nicht erfüllt haben, habt ihr das Interview wieder abgesagt. Angela: Richtig, es gab eine Teamentscheidung auf dem Klausurwochenende unter welchen Bedingungen wir das Interview machen würden, und wir haben uns daran gehalten. Lutz: Im Team bestand auch die Sorge, dass man doch irgendwie von euch vorgeführt wird. Wie auch immer. Man muss das auch unter menschlichen Aspekten sehen. Viele waren erschöpft vom CSD, kamen gerade aus dem Urlaub zurück. Da gab es bei dem einen oder anderen vielleicht noch Druckgefühle, Sorge, dass da wieder was kommt.

Im letzten Sommer wurde angekündigt, es würde tiefgreifende personelle Konsequenzen geben. Es sind nun drei Männer gegangen, zwei Frauen gekommen, dazu noch Daphne de Baakel. Das sind auffallend viele Frauen, auffallend viele Leute, die in der Community recht gut vernetzt sind. Ist das eine Strategie? Angela: Das würde bedeuten, dass das irgendwer so geplant hat. Dazu müsste jemand in der Lage sein, Monique, David und mich zu kontrollieren, und das ist eine amüsante Vorstellung. Ich hab mich neu im Verein engagiert, Monique ist schon länger dabei und wir kennen uns seit Jahren. David haben wir gemeinsam ein bisschen motiviert, und sie hat sich dann auch überzeugen lassen, dass das Sinn macht. Mit uns sind jetzt drei starke Individuen in den Verein und den Vorstand gekommen, die Veränderung wollen. Da steckt kein Mastermind dahinter, im Gegenteil, die neue Zusammensetzung des Vorstands entwickelt eine ganz spannende Eigendynamik. Dass ich kandidiert habe, hat auch klare inhaltliche Gründe. Ich habe auf diesen CSD-Foren mal wieder erlebt, wieviel Sexismus es in der schwulen Szene gibt. Auch Themen wie Alltagsrassismus oder andere Formen der Ausgrenzung innerhalb der Communities sind schon lange überfällig und stärker zu thematisieren.

Am Geschäftsführer Robert Kastl sind sehr viele Konflikte entbrannt. Kann man mit ihm in dieser Position noch weitermachen? Angela: Das ist eine interessante Frage. Gegenfrage: Weil viele Leute den Fokus auf eine Person legen, eine Person ins Visier nehmen, muss man deswegen nur diese Person dafür verantwortlich machen?

Es gab aber doch ganz konkrete Kritik an ihm. Angela: Diese Kritik bestand größtenteils aus Unterstellungen, die dank der Transparenzkommission untersucht und für nichtig befunden wurden. Dort steht: „ Die Vorwürfe von unzulässiger Verquickung und Bereicherung haben sich nicht bestätigt. In keinem Fall wurden überhöhte oder unangemessene Zahlungen festgestellt. Im Gegenteil: zumeist haben die Angestellten, die freien MitarbeiterInnen oder die DienstleisterInnen (etwa AnwältInnen) auf Zahlungen verzichtet oder langfristigen Stundungen zugestimmt.“

Der Passus, der immer wieder durch die Szene geisterte, war ja der der „verbrannten Erde“. Ich erinnere an diese unsägliche Pressekonferenz, auf der u .a. Wowereit und Stadtrat Spallek als Straftäter vorgeführt wurden. Egal, ob das jetzt alles auf Roberts Mist alleine gewachsen ist, ist es doch tatsächlich so, dass sich an vielen Stellen in dieser Stadt gerade um die Person Kastl herum, wirkliche Vorbehalte dem gesamten Verein gegenüber entwickelt haben. Ist er noch der richtige Mann an dieser Stelle? Lutz: Da sind wir ganz klar zu kritisieren. Dafür haben wir uns jetzt auch mehrfach entschuldigt. Kein Thema, das sieht auch Robert Kastl so. Das ist schon wichtig an dieser Stelle. Wir haben angekündigt, dass der Berliner CSD e.V. den „Berliner Gebührensumpf“ aufdeckt. Und da erwartet man natürlich, dass das nicht nur für den großen Effekt, für die eine Pressekonferenz passiert ist, dieses Fass aufzumachen. Das, was da an sachlicher und fachlicher Kritik offen gelegt wurde, ist abzutrennen von der falschen Präsentation durch die Bilder. Die hat leider auch verhindert, dass die Inhalte transportiert wurden.

Wir wollen jetzt natürlich schon wissen, was ist denn aus dem Sumpf geworden. Hat der CSD e.V. diesen Sumpf jetzt trocken gelegt? Angela: De facto gab es in der Vergangenheit Ungleichbehandlung, die hier aufgedeckt wurde. Wir haben für 2014 zum ersten Mal einen angemessenen, um 30% niedrigeren Gebührenbescheid bekommen. Die Fanmeile dagegen musste statt der 60.000 € im Jahr 2012 dieses Jahr 120.000 € bezahlen, was unsere Vorwürfe bestätigt. Der Gebührensumpf wurde also trockengelegt In Bezug auf die letzten Jahre läuft noch eine Klage unsererseits. Die Mehrkosten, die durch die Behörden entstanden sind, belasten den Verein immer noch.

Tatsache ist, dass durch das, was in diesem Jahr rund um den CSD passiert ist, ein Riss durch die Community geht. Wie geht ihr mit dieser Tatsache um? Lutz: Meinst du, dass wir den Riss verursacht oder verstärkt haben? Der war schon längst da! Ich glaube nicht, dass wir die Community gespalten haben, sondern dass die Uneinheitlichkeit einmal richtig offen zutage getreten ist. Wir haben schlecht kommuniziert, ganz klar. Das tut uns leid, das ist auch für uns sehr ärgerlich. Man muss aber auch sagen, dass viele unterschiedliche Interessen in den Streit hineingespielt haben. Wir haben kürzlich mit Community-Gesprächen angefangen. Diese Gespräche sind konstruktiv verlaufen und wir haben den Eindruck, dass niemand mehr drei CSDs in Berlin haben möchte. Angela: Was sich jetzt schon zeigt, ist eine allgemein stärkere Aktivierung des Interesses am Thema CSD. Wir hoffen, dass wir gemeinsam einen guten Neuanfang schaffen und eine bessere Kooperation zwischen allen Beteiligten möglich wird.

Interview: Christina Reinthal/Jan Noll

CSD-Forum (Abstimmung über das Leitthema für den CSD 2015), 03.12., 20:00, SchwuZ

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