INTERVIEW

„Immer noch sexy“

8. Dez. 2014
Unser Abschiedsgeschenk: Das Cover von September 2006 mit seinem Lebensgefährten Jörn Kubicki (c) Tanja Schnitzler

Ein Blick zurück im vorerst letzten von zahlreichen Interviews, die Klaus Wowereit der SIEGESSÄULE gab

Er war der einzige Bürgermeister, der jemals auf einem Cover der SIEGESSÄULE war: Klaus Wowereit. SIEGESSÄULE-Chefredakteurin Christina Reinthal und Verlegerin Manuela Kay trafen ihn nun zum Abschiedsinterview

Vor 13 Jahren begann alles mit dem legendären Satz „Ich bin schwul und das ist auch gut so.“ Warum war Ihr Coming-out so wichtig? Es war eine außergewöhnliche Situation für Berlin: Die Abwahl des Regierenden Bürgermeisters Diepgen, dann die Neuwahl mit Stimmen der damaligen PDS, das wurde von vielen wahrgenommen wie eine kulturelle Revolution. Es hat sie empfindlich gestört. Es war zu befürchten, dass es kein einfacher Wahlkampf würde, sondern eher in Richtung Schlammschlacht gehen könnte. Dem wollte ich mit einer klaren Äußerung entgegentreten.
Wie waren die Reaktionen? Viele Reaktionen waren positiv. Aber ich bekomme auch bis heute Schmähbriefe, es gibt immer noch übelste Beleidigungen. Von Journalisten kam damals oft der Spruch: „Es war ja gar nicht nötig.“ Das wäre schön, wenn wir gesellschaftspolitisch so weit gewesen wären. Waren wir aber nicht.
Was sind die Highlights, die Sie in Ihrer Amtszeit erreicht haben? Es kann ja nicht alles nur mir als Erfolg zugerechnet werden, da haben auch andere was gemacht. Deshalb möchte ich das in zwei Themenbereichen eher allgemein betrachten. Zum einen hat sich die wirtschaftliche Situation dieser Stadt total verbessert. Das heißt noch nicht, dass wir jetzt reich sind, aber nicht mehr so arm. Die Arbeitslosigkeit hat sich fast halbiert. Ökonomisch ist diese Stadt auf einem guten Weg. Sie ist attraktiv geworden für viele Leute aus der ganzen Welt, der Tourismus boomt, Wissenschaft und Forschung stehen sehr gut da. Das ist als materielle Grundlage für diese Stadt so unendlich wichtig. Und der zweite Punkt, der mir immer am Herzen gelegen hat, ist, dass diese Stadt bei allen Konflikten, die es hier auch gibt – wir wissen, dass das schwule Überfalltelefon Maneo immer noch genug zu tun hat und dass es Formen von Diskriminierung auch in unserer Stadt gibt –, dass wir es im Großen und Ganzen geschafft haben, hier eine innere Liberalität zu bewahren und auszubauen. Und das muss sein. Denn wenn diese Stadt nicht begreift, dass sie nur eine Chance hat, wenn sie international ist, wenn sie offen ist für Menschen, egal wo sie herkommen, welche Religion sie haben, welchen kulturellen Hintergrund, dann wird sie an Attraktivität verlieren.
Noch ein Spruch, der legendär geworden ist: „Berlin ist arm, aber sexy“. Sie haben schon gesagt, wir sind nicht mehr arm. Aber immer noch sexy!
... so sexy, dass die Gentrifizierung nicht mehr aufzuhalten war. Die Mieten steigen ... Sie steigen – aber ich habe auch immer wieder gesagt, wir dürfen uns keine Illusionen machen. Je positiver sich diese Stadt wirtschaftlich entwickelt, desto eher werden auch Mieten steigen. Das Problem ist, dass es in Berlin sehr viele Menschen gibt, die nicht am parallelen Einkommenszuwachs teilhaben. Da muss gegengesteuert werden. Wir haben das Ziel, in dieser Legislaturperiode 30.000 zusätzliche Wohnungen ins öffentliche Eigentum zu bringen, das werden wir auch erreichen. Dann werden es 300.000 Wohnungen im öffentlichen Besitz sein. Hinzu kommen noch mal über 200.000 bei Genossenschaften, so dasssich ein Viertel des Wohnungsbestandes von knapp zwei Millionen Wohnungen dann im nicht gewinnorientierten Bereich befindet. Das ist ein ganz gutes Korrektiv, das wir nutzen können. Aber es muss auch mehr gebaut werden, wir erleben ja gerade, welche Widerstände auch da entstehen können. Ich wehre mich aber dagegen, die Aufwertung von Gegenden als Gentrifizierung misszuverstehen. Wir haben ein aktives Quartiersmanagement betrieben, damit Bereiche in der Stadt, die schon gekippt waren oder zu kippen drohten, wieder aufleben. Das zu diffamieren ist fatal. Es war früher nicht ganz so schön, in Nordneukölln zu wohnen. Da hat sich Positives getan, und das wollten wir. Freude dran zu haben, dass Menschen weiter in prekären Verhältnissen leben oder Morbidität in der Stadt vorherrscht und deswegen die Mieten niedrig sind, weil da keiner hin will, ist ja auch keine Alternative ...

Das vollständige Interview online lesen hier

oder in der Druckausgabe der Siegessäule

„Berlin ist und bleibt bunt. Danke Wowi!“, Lesben und Schwule verabschieden Klaus Wowereit, 10.12., 16:00, Rotes Rathaus

Ausstellung „Und das war auch gut so – 13 Jahre Klaus Wowereit“, Vernissage: 08.12., 17:30,
Schwules Museum*

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