Politik

Gemeinsam gegen die Unsichtbarkeit von LGBTI-Flüchtlingen

5. Dez. 2014 Melanie Götz
v.l.n.r. Yiftach Millo (HIAS), Ephraim Torkler (HIAS), Regina Elsner (Quarteera) und Klaus Jetz (LSVD) ©Ephraim Torkler

„Davon ausgehend, dass sich unter den Flüchtlingen rund fünf Prozent homo-, bi- und transsexuelle beziehungsweise transidente Menschen befinden, sollten auch wir als LGBTI-Organisationen uns mit der Problematik der Verfolgung und Flucht aufgrund der sexuellen Orientierung beziehungsweise der Geschlechtsidentität beschäftigen“, eröffnete Klaus Jetz, Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland (LSVD), die Veranstaltung „Unsichtbar – Sexuelle Minderheiten als Flüchtlinge und Asylsuchende. Was kann man von Deutschland aus tun?“ gestern Abend. Gemeinsam mit der weltältesten Flüchtlingsorganisation HIAS (Hebrew Immigrant Aid Society) und der russisch-deutschen LGBTI-Organisation Quarteera hatte der LSVD zur Informationsveranstaltung mit Vorträgen, einem Filmscreening der HIAS-Dokumentation „The Invisible Refugees“ und anschließender Diskussion geladen.

Ephraim Torkler von der Organisation HIAS, die sich seit 1881 für Flüchtlinge und Asylsuchende einsetzt, diese betreut und die Übersiedlung in die Vereinigten Staaten organisiert, brachte in seinem Vortrag die Auswegslosigkeit der Situation auf den Punkt, der LGBTI-Flüchtlinge weltweit ausgesetzt sind: „Sie sind oft ganz allein mit dem Problem, sich niemandem gegenüber äußern zu können“ – Schutz durch Familie, Freunde, Nachbarn, oder gar von den staatlichen Institutionen in Politik oder Sicherheit sind nicht zu erwarten. Sein Organisationskollege von HIAS aus den USA, Yiftach Millo, stellte zentrale Ergebnisse seiner im Rahmen von HIAS geführten Studie „Invisible in the City“ zu Lücken im Umgang und Schutz von Verfolgten sexueller Minderheiten („sexual minorities“) in vier ausgewählten Ländern vor. Dabei wies er eindringlich auf die enorme Bedeutung hin, Flüchtlings-NGOs und LGBTI-Organisationen zu vernetzen und die MitarbeiterInnen der Behörden und Hilfsorganisationen zu sensibilisieren für die Fluchtursachen verfolgter sexueller Minderheiten. Denn selbst die größten Hilfsorganisationen, wie die UNHCR, seien vor Ort in den Flucht- und Durchgangsländern nicht ausgerichtet auf diese Flüchtlingsruppe: „Die speziellen Bedüfnisse von sexuellen Minderheiten werden nicht erkannt, sie bleiben unsichtbar“, so Millo.

Die Problematiken, die in den Herkunftsländern bestehen, setzen sich allerdings auch in Zielländern wie Deutschland fort. So herrscht auch in deutschen Sammelunterkünften, ähnlich wie in den großen Refugee-Camps in Herkunfts- und Durchgangsländern, ein hohes Gewaltpotential, vor allem gegenüber schwulen Männern, das von Ausgrenzung bis zu offener Bedrohung und Verprügeln reiche, berichtet Regina Elsner von Quarteera. Die kleine ehrenamtlich getragene Organisation von und für russische und andere osteuropäische MigrantInnen berät und assistiert seit zwei Jahren von Berlin aus rund 30 schutzsuchende MigrantInnen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise ihrer (trans-)geschlechtlichen Identität verfolgt werden. Größte Probleme bereite das Anerkennungsverfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlingen (BAMF), da die ÜbersetzerInnen oft den gleichen homophoben kulturellen Hintergrund hätten, vor dem die AntragstellerInnen geflohen waren. Elsner berichtet von „Sprachmittlern, die sich nicht trauen, das Wort schwul auszussprechen“, oder dem Antragsteller auch schon mal bedeuteten „dieses Detail“ doch wegzulassen. Flüchtlinge, die auf Asyl hoffen, sind jedoch angewiesen, von der ersten Anhörung an, ihre Fluchtgründe detailliert darzulegen. Geschieht dies erst nach der zweiten oder dritten Anhörung wertet das BAMF dies mitunter als vorgeschobene oder übertriebene Gründe.

In der anschließenden Diskussionsrunde fand ein engagierter und fruchtbarer Austausch darüber statt, wie die LGBTI-Commnunity und ihre Organisationen Flüchtlinge und Asylsuchende unterstützen könnten. Unter den TeilnehmerInnen der Veranstaltung einigte man sich spontan darauf, eine Aktionsgruppe zu gründen, zu der weitere InteressentInnen und AktivistInnen aus Flüchtlings- und LGBTI-Gruppen herzlich eingeladen sind. Der LSVD erklärte sich bereit, die Koordination zu übernehmen und Folgeveranstaltungen dazu in seinen Räumen vorzubereiten. Kontakt: presse@lsvd.de

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