Kultur

Schockstarre: Coming-out-Stück im Theaterforum

15. Dez. 2014
Nora Huetz, Tobias Licht und Sebastian Schlecht spielen „Zwinger: Dem Glück ein Maulkorb” © Caterina Rancho

Ein junges Team entwickelt ein Stück über ein spätes Coming-out: Nora Huetz, Sebastian Schlecht und Tobias Licht schreiben, inszenieren und spielen „Zwinger: Dem Glück ein Maulkorb“

> „Er“ ist 35 und steht mitten im Leben, will mit seiner neuen Freundin eine Familie gründen, als er an allem zu zweifeln beginnt. Doch während er bei dem Gedanken daran, schwul zu sein, in eine Schockstarre verfällt, will „sie“ es genau wissen und fordert ihn auf, seine Zweifel zu ergründen, drängt ihn dazu, sich mit ihrem schwulen besten Freund zu treffen. Das ist die Handlung von „Zwinger“, dem Stück des jungen Autorenduos Nora Huetz und Sebastian Schlecht. Ein klassisches Coming-out-Stück. Heute? In Berlin? Das erscheint anachronistisch.

„Wir kennen schwule Männer, die sich auch selbst so bezeichnen, das aber öffentlich nie tun würden, sondern lieber ein heterosexuelles Bild von sich aufbauen“, erklärt Sebastian Schlecht, der selber schwul ist und auf viva.tv den „Out-and-proud-Blog“ schreibt. Seine Studienkollegin und Mitautorin Nora Huetz ergänzt: „Das hat uns schon überrascht. Gerade hier in Berlin leben wir in so einer pseudooffenen Jeder-kann-sein-wie-er-möchte-Welt, und trotzdem treffen wir immer wieder Menschen, die sich nicht so geben, wie sie sind.“ Ausgehend von dieser Erkenntnis haben die beiden ihr Stück entwickelt. Die Figuren haben keine Namen, sie werden als „der Typ“, „er“ und „sie“ bezeichnet. Sie sollen eine größtmögliche Projektionsfläche bilden. Auch das Schwulsein ist nur ein Beispiel: „Letzten Endes könnte es auch etwas anderes sein. Wir fragen uns einfach: Warum presst man sich in ein Bild, statt zu sagen, das bin ich und so möchte ich leben“, erklärt Nora und vergleicht das Gefühl, bewegungslos in einer unguten Situation zu verharren, mit der Angst eines Rehs – erstarrend im Scheinwerferlicht des heranrasenden Autos.

Nora und Sebastian, die gemeinsam an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam studiert und vor Kurzem ihren Abschluss gemacht haben, spielen „Zwinger“ selbst, gemeinsam mit ihrem Kollegen Tobias Licht. Dass ihr Werk in diese Zeit passt, davon sind sie überzeugt: „Solange Eltern überlegen, ob sie ihren Sohn zum Ballett schicken können“, sagt Nora, „so lange brauchen wir dieses Stück.“ Premiere ist am 16.12.

Christina Reinthal

„Zwinger: Dem Glück ein Maulkorb“, 16.–18.12., 20:00, Theaterforum Kreuzberg, tfk-berlin.de

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