BÜHNE

Spielen gegen das Vakuum

20. Dez. 2014
In diesem Jahr erarbeitet die Theatergruppe der Schwulenberatung das Lustspiel „Pension Schöller“ von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs

Wer in ein tägliches Vakuum fällt, etwa weil eine chronische Erkrankung wie eine schwere Depression oder andere Gründe ihn aus dem „geregelten“ Arbeitsprozess und Tagesablauf katapultieren, verliert schnell die zeitliche Struktur. Glücklicherweise gibt es Hilfsangebote, zum Beispiel bei der Schwulenberatung, die mit ihren offenen Gruppen unschätzbare Arbeit leistet.Vielfältige Angebote können neue Kontakte schaffen, Interessen wecken. Eines davon ist die Theatergruppe, die keine Therapiegemeinschaft ist, sehr wohl aber einen heilsamen Effekt für die Mitglieder haben kann.

„Wir haben keinen therapeutischen Anspruch, weil wir keine Therapeuten sind“, erklärt der Sozialpädagoge, Gestaltberater und Coach Philipp Beyer, Leiter der Gruppe. „Es geht darum, über Grenzen zu gehen, etwas auszuprobieren.“ Sein Kollege Jörg Duden, in der Schwulenberatung als Abteilungsleiter „Psychische Beeinträchtigung und Handicap“ tätig, ergänzt: „Jeder kann entsprechend seinen Möglichkeiten oder Grenzen eingesetzt werden, entscheidet sich für eine große oder kleine Rolle.“ Zum Team gehört auch Sönke Struve. Der ausgebildete Schauspieler hat das Konzept mit entwickelt und übernimmt regelmäßig selbst eine Rolle. Das Zusammenspiel mit einem gelernten Schauspieler habe verschiedene Vorteile wie den „Nacheiferungseffekt zum Beispiel“, sagt Beyer.

„Theaterspielen ist gut fürs Selbstbewusstsein und fürs Herz“

Die Arbeit fängt immer zu Beginn eines Jahres mit einer offenen Gruppe an: „Da kann jeder reinkommen, sei es auch nur zum Schnuppern. Man kann bei den theaterpädagogischen Übungen mitmachen, um einfach zu gucken, ob das zu einem passt. Im Hochsommer machen wir die Gruppe dann langsam zu, finden heraus, wer kann sich vorstellen, auf ein Stück hinzuarbeiten. Dann wird gemeinsam beschlossen, was wir machen – Komödie, Tragödie, Krimi …“ Diesmal fiel die Wahl auf „Pension Schöller“, das Lustspiel in drei Akten von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs. Elf Personen werden auf der Bühne stehen. Die Kulissen stellt die Kreativgruppe der BTS (Beschäftigungstagesstätte) her, die auch den Kostümfundus weiter ausbaut und dessen Bestand pflegt. Aufführungen sind traditionell immer in der Advents- und Weihnachtszeit. Vor voll besetztem Haus, versteht sich. „Im Wilde Oscar kommen ganz viele Leute zusammen, die sonst keine Berührungspunkte miteinander haben“, sagt Jörg Duden. Und obwohl es eine Laiengruppe ist, aber eben mit dem Charme des nicht ganz Perfekten, ist das Publikum hochgradig begeistert. Wie im letzten Jahr, als „Bei Anruf Mord“ gespielt wurde.

Nach vier Aufführungsterminen wird eine imaginäre Kiste gepackt und das Projekt abgeschlossen. Damit Platz ist für Neues, aber auch wieder für die schnöden Belange des täglichen Lebens. „Das Theaterspielen ist gut fürs Selbstbewusstsein und fürs Herz, aber dann geht es wieder um Dinge wie Behördengänge, medizinische Versorgung …", so Duden. Leben ist vielschichtig, und das Theaterspielen ist ein angenehmerer Teil davon.

Frank Hermann

„Pension Schöller“, 22.12., 19:30, Wilde Oscar, Eintritt frei

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