WERKSCHAU

Susan Sontag Revisited

17. Jan. 2015

Was wäre die Schwulenszene ohne den Begriff Camp? Mitgeprägt hat ihn Susan Sontag, die große Intellektuelle, deren Essays zu Fotografie, Aids und Krebs ihr Weltruhm verschafften. Sie war eine Ikone der amerikanischen Kulturkritik – vermutlich gerade weil sie die Kultur ihres Heimatlandes mit Vorliebe in der Luft zerriss. Susan Sontag galt als sperriger Mensch und war ein Idol für viele Lesben, beides eher unter der Hand. Ihr Privatleben, in dem sie bis zu ihrem Tod 2004 mit der Fotografin Annie Leibovitz zusammen war, ist vermutlich bekannter als die Tatsache, dass Sontag nicht nur schrieb, sondern auch Filme drehte.

Aus diesem Grund liegt der Fokus von „Susan Sontag Revisited“ – einer Werkschau mit Symposium – auf Sontags filmischen Oevre. Sechs Stück waren das im Laufe ihres Lebens, einige davon entstanden gemeinsam mit Andy Wahrhol. Trotz dieses beeindruckenden Gesamtwerkes wissen immer weniger Menschen, wer Susan Sontag war, fiel dem Kurator Ralph Eue auf. „Immer weniger meiner Studentinnen und Studenten kennen Susan Sontag. Wenn ich ihnen aber Texte von ihr mitbrachte, waren sie Feuer und Flamme und wollten mehr wissen.“ Diesen Wissensdurst möchte Eue mit der Veranstaltung „Susan Sontag Revisited“ stillen.

In Zusammenarbeit mit dem Kino Arsenal, in dem Sontag bereits Anfang der 1990er ein Filmprogramm kuratierte und von dem sie sagte, es sei ihr „auf dem ganzen Planeten das liebste“, werden eine Woche lang Filme von und über Sontag gezeigt.

Parallel zum Filmprogramm soll ein zweitägiges Symposium im ICI Kulturlabor die Relevanz der Sontag’schen Reflexionen für die Gegenwart aufzeigen. Dazu sind namhafte Analytikerinnen und Verbündete Sontags geladen. Jonathan Cott beispielsweise, der 1978 ein zwölfstündiges Interview mit Sontag für den Rolling Stone führte, das 2013 in voller Länge in Buchform erschien. Auf dem Symposium wird Cott seine Erinnerungen teilen. Die Schaupielerinnen Hannah Schygulla und Anne Ratte-Polle lesen aus Sontags Werken, der Direktor des „Sarajevo War Theatre“ Nihad Kresevljakovic beleuchtet ihre Rolle im Hinblick auf den kulturellen Widerstand seines Landes, und die Publizistin Carolin Emcke setzt sich mit Sontags Betrachtungen über Kriegsberichterstattung und ihren eigenen Erfahrungen auseinander. Neben den großen Themen aus Sontags Arbeit finden in diesem Symposium auch kleinere ihren Platz. Ihre bereits erwähnte Arbeit im Arsenal zum Beispiel, oder ihre intellektuelle Freundschaft mit der Religionswissenschaftlerin und Schriftstellern Susan Taubes.

Kontakt zu Sontags Lebensgefährtin Leibovitz gab es während den einjährigen Vorbereitungen übrigens nicht, wohl aber zu ihrem Sohn David Rieff. „Ich habe David dreimal getroffen, er war überaus hilfreich“, erzählt Raph Eue. „Nur bei einer Sache hat er geblockt. Ursprünglich war nämlich auch eine Ausstellung von Sontags Arbeiten im Schwulen* Museum geplant, das gab es noch nie. An diesem Punkt hat David interveniert. Seine Mutter habe eine komplizierte Sexualität gehabt, sagte er und die ginge für ihn nicht darin auf, ihre Arbeiten in einem Museum mit diesem Namen zu zeigen.“ Schade. Aber Ausstellung hin oder her: Eues erklärtes Ziel, Susan Sontag wieder ins Gespräch und vor allem in den Fokus einer jüngeren Generation zu bringen, erreicht der Kurator mit „Susan Sontag Revisited“ problemlos.

Tania Witte

„Susan Sontag Revisited“

Filmprogramm 20.01.-05.02.2015, Kino Arsenal

Symposium 29. und 30.01.2015, ICI Berlin, Eintritt frei

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