OSCAR-PREVIEW

In puncto Diversity kaum preisverdächtig

19. Jan. 2015
Karin Schupp (c) Joe Kake

Academy-Awards 2015: Ein eher magerer Jahrgang aus der Queer-Sicht meint SIEGESSÄULE-Kolumnistin Karin Schupp in ihrer Vorschau

„Hollywood wirbt für Homosexualität“, schreibt Larry Tomczak, erzkonservativer US-Pfarrer mit Schwerpunkt Homophobie, in der evangelikalen Christian Post. Als willige Handlanger der „LGBTQ-Lobby mit millionenschweren Budgets“ versuche man „die Amerikaner aggressiv davon zu überzeugen, dass Homosexualität ein wunderbarer Lebensstil“ sei. Da muss ihm die Oscar-Verleihung (22. Feb.) wie das Hochamt dieses „Indoktrinations“-Feldzugs vorkommen. Immerhin gilt sie in den USA als „gay Superbowl“ und wurde 2014 ausgerechnet von Ellen DeGeneres moderiert, der Tomczak vorwirft, ihr Lesbischsein öffentlich „zu zelebrieren“. Dass die beliebteste Lesbe der Welt den Job in diesem Jahr Neil Patrick Harris („How I Met Your Mother“) überlässt, wird ihm kein Trost sein, denn der ist ja ebenfalls ein Vorzeige-Homo – witzig, solide verheiratet, Vater von Zwillingen – und holte sich zudem zwei  lesbische Comedians, Liz Feldman („2 Broke Girls“) und Paula Pell („Saturday Night Live“) in sein Autorenteam.

Anders als die Berufs-Homophoben vermuten, jubliliert das LGBT-Fachpublikum dennoch traditionell recht selten: dazu ist die Show meist viel zu hetero. 2015 steht aber immerhin „The Imitation Game“ mit acht Nominierungen auf Platz 3 der Bestenliste (so viele hatte 2006 auch „Brokeback Mountain“). Der Film über den schwulen Mathematiker Alan Turing könnte die Königsdisziplinen „Bester Film“ und „Beste Regie“ gewinnen, und auch Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch und Nebendarstellerin Keira Knightley dürfen sich Hoffnungen machen.

Die breiten Schultern dieses Films verdecken jedoch, dass ansonsten nur wenig für uns dabei ist: Die lesbische Regisseurin Laura Poitras tritt mit ihrer Edward Snowden-Doku „Citizenfour“ gegen „Finding Vivian Maier“ (Regie: John Maloof) über eine rätselhafte und irgendwie queere Fotografin an. Und „Foxcatcher“ (5 Nominierungen, Deutschlandstart: 5. Feb.) von der lesbischen Produzentin Megan Ellison („American Hustle“), der auf einer wahren Story im olympischen Ringer-Milieu basiert, deutet eine Affäre zwischen Steve Carell und Channing Tatum an (die der von Tatum porträtierte Ringer hysterisch von sich weist).

Die „Best Actor“-Kategorien enttäuschen aus lesbisch-schwuler Sicht komplett: alle 20 Nominierten sind so lupenrein hetero, dass es überhaupt nur über eine/n von ihnen jemals ein Homo-Gerücht gab: Emma Stone („Birdman“) – und die hat’s dementiert.

Auch die Kategorie „Bester ausländischer Film“ bleibt trotz mehrere schwuler/ queerer Bewerber hetero: Die Teddy 2014-Gewinner „Der Kreis“ (Schweiz) und „Heute gehe ich allein nach Haus“ (Brasilien, deutscher Start: 26. Feb.), „Saint Laurent“ (Frankreich) und Xavier Dolans „Mommy“ (Kanada) schafften es nicht auf die Liste.

Aber mit dieser Diversity-Beschwerde können wir uns schön hinten anstellen, denn nominiert wurden zudem ausschließlich weiße Schauspieler/innen und Regisseure, und auch Frauen findet man – von den Schauspielerinnen abgesehen – nur in den Nebenkategorien, vor allem im Make-up/ Haare, Kostüm- und Produktionsdesign, während sie als Regisseurinnen nur bei Dokumentar- und Kurzfilmen eine Chance bekommen.

Aber zurück zur Werbung für unseren wunderbaren Lebensstil: Tegan and Saras „Everything Is Awesome“ aus „The Lego Movie“ wurde als bester Song nominiert! Die lesbischen Zwillinge haben das Lied zwar nicht selbst geschrieben, werden aber bestimmt auf der Oscar-Bühne stehen und es singen – wenn das mal nicht Homo-Propaganda in seiner reinsten Form ist!

Karin Schupp

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