Nachruf

The Damned Don't Cry

13. Feb. 2015

– Als Ende der 70er Jahre die New-Romantic-Bewegung von London aus zum (kurzlebigen) Siegeszug durch die Charts der Welt antrat, stand ein Mann an ihrer Spitze, der das musikalische und modische Phänomen verkörperte wie kein anderer: Steve Strange. Als Kind des Punk geschult wie viele andere am Bowie-Roxy-Music-Kraftwerk-Kanon, machte sich der Waliser, der eigentlich Steven Harrington hieß, zunächst in der Londoner Clubszene einen Namen als rigider Türsteher des Blitz-Clubs. Seine ewige Rivalität mit Boy George (mal befreundet, mal verfeindet) rührte noch aus dieser Phase. David Bowie ließ ihn 1980 im „Ashes to Ashes“-Video auftreten, im selben Jahr wurde Strange dann auch international zum Star als Kopf der Gruppe Visage. Visuell bewegte sich Strange irgendwo zwischen androgynem Pierrot und Unisex-Schaufensterpuppe, das Make-Up war immer üppig und die Kostümierung mindestens ebenso wichtig wie die Musik.

Die zweite Visage-Single „Fade to Grey“ schaffte es sogar in Deutschland zum Nummer-Eins-Hit, und die New-Romantic-Bewegung hatte ihre eigene Hymne. Das damals gerade neu erblühende Format des Musikvideos bot Strange eine ideale Plattform, mit wenig Mitteln einen maximalen visuellen Effekt zu erzielen.

Auf ein erfolgreiches Debutalbum (das mit „Mind of a Toy" einen zweiten Hit abwarf) folgte 1982 „The Anvil“ – mit Helmut-Newton-Fotos und einem von Peter Saville gestalteten Cover. „Damned Don't Cry“ und „Night Train“ brachten erneut retrofuturistische, androgyne Ästhetik in die Charts, doch schon 1983 war die Party vorbei. Visage brach auseinander und es wurde deutlich, dass es Strange an musikalischer Substanz mangelte, um das Projekt alleine erfolgreich weiterzuführen. Folgeprojekte („Strange Cruise“) stießen auf Desinteresse und fortan tauchte Strange nur im Zusammenhang mit seinem eskalierenden Drogenkonsum in den Medien auf.

Die Musikgeschichte verbuchte Stranges kurzen Erfolg unter der Rubrik der „Gender Bender“ und lange schien es, als sei er auf immer dazu verdammt, seine Brötchen bei würdelosen TV-Spektakeln wie der „Ultimativen Chartshow“ als Oldie-Act mit dem ewigen „Fade to Grey“ zu verdienen. 2013 erschien mit „Hearts and Knives“ dann überraschend noch ein neues Visage-Album. Am 12. Februar starb Steve Strange nach einem Herzinfarkt in einem Kairoer Krankenhaus. Er wurde 55 Jahre alt.

Karsten Zang

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