Bewegungsmelder

Mir spahnt nichts Gutes

23. Feb. 2015
Dirk Ludigs c Tanja Schnitzler

Die Kolumne von Dirk Ludigs

Wissen Sie eigentlich schon, was „spahnen“ bedeutet? Zugegeben, das Wort steht noch nicht im Duden, aber da gehört es hin und wenn wir es nur oft genug benutzen, ist die baldige Eintragung unausweichlich. Spahnen, so definiere ich das jetzt mal, nennen wir das Ausspielen einer mutmaßlich beliebteren Minderheit gegen eine mutmaßlich weniger wohl gelittene, um sich an eine gefühlte Mehrheit im Allgemeinen oder einen Mächtigeren im Besonderen heran zu schleimen. Schwule Männer zum Beispiel spahnen gerne bei heterosexuellen Männern in Bezug auf Frauen allgemein und Lesben ganz besonders. Niemand aber hat das Spahnen so zur Perfektion gebracht, wie sein Erfinder und Namensgeber, der Münsterländer CDU-Bundestagsabgeordnete, Mitglied des Präsidiums seiner Partei, gelernte Bankkaufman und bekennende Homosexuelle Jens Spahn. 

Schon bei seiner Bewerbungsrede zum Parteipräsidium am 9. Dezember 2014, gab Spahn ein Beispiel seiner hohen Kunst. Man dürfe doch, wenn man einerseits bis in die DAX-Vorstände hinein gendere, doch bei Burka, Zwangsheirat und Ehrenmorden nicht multikulturell tolerant wegschauen, rief er in die von schütterem Grau und blondem Beton dominierte Halle und warum ihn das Thema so bewege, erklärte Spahn seinen durchgegenderten Parteifreundinnen gleich im Anschluss: Er möchte nicht länger, wenn er mit seinem Freund durch Berlin laufe, die Angriffe erleben, die er erlebt habe.

An der Homophobie in Deutschland ist also der Moslem schuld? Ja, sagt Spahn und hat jetzt im Spiegel nochmal nachgebuttert: Zuwanderung aus islamischen Ländern verändere in Teilen das Klima in unserem Land! Als Beweis dafür muss wieder sein Freund herhalten.

Nun kann man Spahn sicherlich keinen Vorwurf daraus machen, dass seinem Freund und ihm solche Sachen in Berlin mit Arabern und nicht mit einer Horde Münsterländer Dorfproleten im heimatlichen Ottenstein bei Ahaus zustoßen, denn zu seinen Pennälertagen an der katholischen bischöflichen Canisiusschule steckte Spahn ja noch im Wandschrank. Sein Coming-out hat der Katholik erst 2012 nach zehn Jahren Bundestag gemacht, mutmaßlich im dortigen Last-Minute-Büro. Dass es allerdings immer wieder nur ihn und seinen Freund trifft und nicht ihn und seinen Mann, dafür ist Spahn selbst verantwortlich. Seit 2002 stimmt er nämlich, wie zuletzt im Jahre seines Coming-outs, brav mit seiner christlichen Partei gegen die Gleichstellung von homosexuellen Lebensgemeinschaften mit der Ehe. Ich wette, er tut das natürlich nur aus Angst vor den Moslems, die seine angeborene deutsche Liberalität in Teilen schon verändert haben.

Es sei angemerkt, nicht nur beim Ausspielen von Homosexuellen gegen Moslems spahnt Spahn in Perfektion. Er kann das auch mit Juden: Mit der Zuwanderung aus islamischen Ländern importierten wir auch Antisemitismus, sagt er. Und das, möchte man dazu sagen, ist doch nun wirklich wie Eulen nach Athen tragen oder Bibeln an den Vatikan verkaufen. Tatsächlich nimmt der importierte Antisemitismus unserem guten deutschen einheimischen Antisemitismus seit Jahren die Arbeit weg. Münsterländer Neonazis zum Beispiel finden in ihrer Gegend kaum noch schändbare Friedhöfe: alles schon vom Muselmann weggeschändet, der, wir wissen es ja alle, Hitler einen guten Mann findet. Ja, so spahnt sich’s richtig. Und noch einen drauf:

Weil der Spahn längst zum Opfer seiner eigenen Spahnereien geworden ist fordert er folgerichtig: "Wer unsere offene Gesellschaft für verdorben und verweichlicht hält oder wer in einem Gottesstaat leben will, dem kann ich einfach nur sagen: Geh und such dir ein anderes Land."

Ich hoffe, Spahn meint damit auch die in allen Umfragen stabilen 20 Prozent Volksdeutschen mit einem geschlossen antisemitischen, rassistischen und homophoben Weltbild. Ich hoffe, er meint die bibeltreuen Evangelikalen und erzreaktionären Katholiken, die auch in seiner Partei gegen die Gleichstellung, ja auch von Jens Spahn und seinem Freund, in einer offenen und liberalen Gesellschaft kämpfen, auch wenn das einzig liberale an Jens Spahn sein Berliner Brillengestell ist.

Ich weiß, ich weiß: Das ist vermessen. Aber ich bin ja auch schlimmer als jeder Muselmann: Ich würde einen bigotten Islamophobiker wie Jens Spahn jederzeit auf der Straße beleidigen, wenn ich ihn treffe, egal ob er gerade mit seinem Freund Händchen hält oder nicht!

Dirk Ludigs

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