Kommentar

Franco-phil

2. März 2015
Matthias Frings © Marcus Witte

In der Ära der Gender Studies ist es zunehmend cool, seine sexuelle Präferenz nicht mehr zu benennen: „Ich lasse mich doch nicht in eine Schublade stecken!“ Das ist smart, zeitgemäß, hip. Und sehr bequem.

– James Franco beehrte die Berlinale, und alle waren ganz aus dem Häuschen. Man kann ihn mit etwas Anlauf als guten Schauspieler bezeichnen, und ich gestehe, dass auch ich ihn mit zahnspangenhaftem Fantum süüüß finde.

Es ist großartig in wie vielen Filmen mit schwuler Thematik er sich als Schauspieler, Regisseur und Produzent engagiert hat. („Milk", „Interior. Leather Bar", „I am Michael") Eine seiner künstlerischen Installationen heißt „Gay Town“, sie zeigt neben allerlei Schwänzen und nackten Ärschen einen Kuss zwischen Batman und Robin. In „Interior. Leather Bar" imaginiert er vierzig Minuten herausgeschnittene Sexszenen aus dem schwulen Klassiker Cruising. Und in zahllosen Interviews, Fernsehshows, Sketchen kokettiert er gewitzt mit möglichen Sexualitäten. Er bewegt sich gerne und oft in schwulen Zusammenhängen, thematisiert Schwulsein auf jeder Ebene seines künstlerischen Schaffens, bewegt sich bei Fragen nach seiner sexuellen Ausrichtung aber lieber im sicheren Bereich des Nebulösen. Diese scheinbar so postmoderne Strategie ist den Illusionisten und Zauberern seit Ewigkeiten bekannt: Wer etwas verstecken will, muss es nur offen zeigen. Da vermutet es nämlich niemand.

James Franco bleibt vage, gibt an er sei an „anti-normativen Lifesyles“ interessiert und erklärt mit Augenzwinkern (oder auch nicht): „I wish I was gay!“

Zweifel daran, dass es sich hier nur um Wunschdenken handelt, beschleichen einen, googelt man einmal „James Franco und Klaus Biesenbach“. Biesenbach, bekannt in der Berliner Szene, initiierte die Kunst-Werke und ist jetzt Kurator am New Yorker MoMA. Hunderte Fotos der beiden erscheinen, und wer glaubt, hier handle es sich nur um zwei Kunst-Freunde, die sich zufällig gerne anfassen, der hält auch den Eurovision Song Contest für ein Rockfestival.

Wie bei Franco hört man zunehmend von Leuten, berühmt oder nicht, sie wollten sich sexuell nicht festlegen lassen. Natürlich gibt es Menschen, die sich im Spannungsfeld zwischen Sex und Gender seelisch wie auch körperlich nicht definieren lassen wollen, weil sie es schlicht nicht können. Bei so manchem allerdings, der sich zeitgeistig auf Elemente der Queerforschung beruft, um sein Schweigen zu begründen, hat man eher das Gefühl, er wisse sehr wohl, wen er gerne – nun, nennen wir es mal: küsst.

Als Begründung sich nicht zu outen ebenfalls gerne angeführt: „Schwulsein ist inzwischen so normal, darüber muss man doch nicht mehr reden.“ Wer das glaubt, der braucht sich nur mal einen Freund zu schnappen und mit ihm zehn Minuten Hand in Hand durch Kreuzberg zu schlendern. Das reicht. Und wenn Homosexualität etwas so Normales ist, dann kann man auch darüber reden, oder?

Zugegeben: Es ist eine böse Zwickmühle, dass jeder, der sein Schwulsein offen legt, aus einer Selbstverständlichkeit einen Sonderfall macht – Heteros outen sich schließlich auch nicht. Aber wer nicht in der Unsichtbarkeit verschwinden will, muss diesen Widerspruch aushalten.

So manche der etwas abschätzig betrachteten Entertainmentarbeiter – Comedians, Schlagersänger, Moderatoren – haben den Schritt in die Öffentlichkeit längst gewagt. Langsam wäre es an der Zeit, dass sich die besser bezahlte Klasse der Sportler, Vorstandsmitglieder und Schauspieler endlich aus der Deckung wagt, ohne sich fein herauszugendern.

Bei den Gender Studies haben wir es mit teilweise hochinteressanten Theorien zu tun, mit Denkexperimenten. Für die meisten von uns Normalsterblichen aber ist Sexualität konkret. Sie ist leibhaftig, und das Reden darüber hat immer auch eine politische Dimension. Schade, wenn die Geschlechterforschung dafür herhalten müsste, auf modische Weise im Schrank zu bleiben. Das wäre dann nur alter Wein in neuen Schläuchen. Oder in diesem Fall: alter Schrank mit neuer Tür.

Matthias Frings

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