SHOW

SIEGESSÄULE präsentiert: Dummy lab im Chamäleon

20. März 2015

Akrobatik, Tanz, Videoprojektionen und Musik. Daraus wird bei „Dummy lab“ ein Gesamtkunstwerk mit genialem Ensemble und hervorragender Bühnentechnik. Den Regisseuren Eike von Stuckenbrok und Markus Pabst ist ein so kreativer wie überraschender Geniestreich  gelungen.

Ohne klassische Rollenzuweisungen geht es bei vielen Varieté-Inszenierungen nicht. Doch auch die neue Show im Chamäleon macht da eine rühmliche Ausnahme. Und wenn – fast wirkt es wie aus Versehen – mal „typisch männlich“ oder „typisch weiblich“ auftaucht, wird das gleich wieder umgekehrt. Absolut gleichberechtigt agieren die drei Frauen und Männer, die fürs Zirzensische zuständig sind.

Wenn der Vorhang sich öffnet, beginnt ein Programm wie ein guter Film. Gegen erdbebenartiges Grollen setzt sich mühelos das feine Cellospiel der Virtuosin Lih--Qun Wong durch, gewinnt schnell die Oberhand. Dann geht es los mit der Aktion, besser gesagt Interaktion. Bilder wecken Assoziationen an japanische Horrorfilme wie „The Grudge“ oder „The Ring“. Streng treten die Agierenden  zunächst auf, doch manches Humorige blitzt auf im Lauf des kurzweiligen Abends, der auch Elemente des Tanztheaters enthält,  sogar Einflüsse einer Mary Wigman scheinen in einem Bild auf. Und dann geht wieder ums Muskelspiel und die Körperbeherrschung, die so viel Eleganz haben kann.  Ein Überraschungseffekt und audieller Genuss ist das musikalische Gerüst. Das klassische Cello wird mit den Elektro-Beats von Reecode kombiniert – der auch noch prima singt –, was so aufregend wie stimmig ist in dieser Weiterentwicklung des „Dummy“-Konzeptes.

Die Bühne ist auf den ersten Blick karg, steckt aber voller Überraschungen. Der Clou ist, dass sich die Spielfläche zur schiefen Ebene verwandeln lässt und so auch zur Projektionsfläche wird. Interaktive Videoprojektionen bieten Gelegenheit, Sehgewohnheiten über den Haufen zu werfen, etwa wenn die ArtistInnen mit ihrem eigenen elektronischen Abbild verschmelzen oder jenes ihnen nacheilt.

Und dann hält man unwillkürlich den Atem an, wenn der weiße Dummy, die männliche Schaufensterfigur, auf der Bühne steht. Sie gehört zu jener Performance, mit der Eike von Stuckenbrok vor einigen Jahren berühmt wurde. Wegen eines Unfalls tritt er derzeit nicht selbst auf, hat aber äußerst effektiv seine Energie ins Inszenieren gesteckt. Jetzt zeigt Florian Zumkehr seine Version der Stuckenbrok-Nummer. Erstaunlich, wie groß der Unterschied in so einer Interpretation sein kann. Eike nimmt es derweil gelassen: Er bekommt für seine Regie den verdienten dicken Applaus. Standing Ovations für alle Beteiligten.

fh

„Dummy lab“, bis 09.08., Chamäleon

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.