SIEGESSÄULE

Arsch hoch, Zähne auseinander!

22. März 2015
v.l.n.r.: LCavaliero Mann, Birgit Bosold, Manuela Kay © J.Jackie Baier

Im Rahmen des SchwuZ-Themenmonats „Month of queer Women and Femininities*“ fand am Samstag eine von SIEGESSÄULE, L-MAG und dem SchwuZ präsentierte Podiumsdiskussion zum Thema Unsichtbarkeit von Lesben statt

Mit einem derart hohen Andrang hatte man im SchwuZ wohl nicht gerechnet! Fast 400 Leute waren zur gestrigen Podiumsdiskussion zum Thema „Die unsichtbare Lesbe – Über das Verschwinden einer Identität“ erschienen. Wer noch einen Sitzplatz mit Bühnensicht erwischte, konnte sich glücklich schätzen. Für ein Thema, das so wenig mainstreamtauglich scheint, ist das ein Riesenerfolg, betonten die SIEGESSÄULE und L-MAG-VerlegerInnen Gudrun Fertig und Manuela Kay, die jeweils eines der beiden Panels moderierten.

Der Abend begann mit einem von SIEGESSÄULE-Chefredakteur Jan Noll geführten Interview mit der Berliner Lesbenaktivistin Mahide Lein. Diese kritisierte mit Blick auf das Publikum, dass sich zu wenig Männer für die Lesbenthematik interessieren würden. Umgekehrt wären bei einer Diskussion um schwule Themen wesentlich mehr Frauen erschienen. Viele der von Mahide im Interview angeschnittenen Punkte wie das Fehlen von Treffpunkten für Lesben oder eine queere Subkultur, hinter der die lesbische Identität zunehmend verschwindet, bestimmten die spätere Diskussion.

Für das erste von Gudrun Fertig moderierte Panel versammelten sich SIEGESSÄULE-Chefredakteurin Christina Reinthal, Partyveranstalterin Luca Angela Prestifilippo, Schriftstellerin Karen-Susan-Fessel und die Aktivistin und Autorin Katharina Oguntoye auf der Bühne. Hier ging es um die Frage, warum der Begriff Lesbe scheinbar so unattraktiv geworden ist und sich viele Frauen unter dem Label queer wohler fühlen. Ein Erklärungsansatz kam von Katharina Oguntoye: Mit Judith Butler und dem Durchbruch der Queer Theory an den Universitäten in den 90er-Jahren wurde der einstige Kampfbegriff Lesbe immer mehr als eine veraltete und konservative Kategorie wahrgenommen. Die gestandene „80er-Jahre-Lesbe“ war zu einem Auslaufmodell geworden, das einer jüngeren Generation, die andere Vorstellungen von Politik entwickelte, nicht mehr „sexy“ genug schien. Karen-Susan-Fessel betonte hingegen, dass die Lesbe generell von der Gesellschaft eher belächelt wird – im  Gegensatz zu schwulen Männern, die offener angefeindet und als Bedrohung gesehen werden. Die Folge davon sei aber, dass man schwule Männer deutlich ernster nimmt bzw. Männer sich auch selbst wesentlich ernster nehmen.

Das zweite Panel griff dann das Thema Lesbenfeindlichkeit in der Szene auf, versuchte aber auch verstärkt Antworten auf den ausbleibenden Erfolg der Lesbenbewegung zu finden. Manuela Kay moderierte die Runde, bestehend aus Birgit Bosold vom Schwulen Museum*, LCavaliero Mann vom SchwuZ, Jim Baker, Geschäftsführer vom Querverlag, und Grünenpolitikerin Anja Kofbinger. Birgit Bosolds These war, dass die politischen Impulse aus der Lesbenbewegung deutlich radikalere Züge hatten, weil sie auch andere Themen wie Rassismus und Antisemitismus integrierte und sich deutlich mehr um das Große und Ganze gekümmert habe. Schwule Politik wäre demgegenüber narzisstischer also ichbezogener gewesen. Gleichzeitig betonte sie, dass Frauen sich oft selbst im Weg standen. Als Beispiele nannte sie nicht nur das Scheitern von Frauen- und Lesbenprojekten, sondern auch die heteronormativen Strukturen in den Museen, trotzdem die Aufgaben hier vor allem von Frauen übernommen werden. Anja Kofbinger führte aus, dass leider auch geschichtliche Vorbilder und Identifikationsfiguren eher rar gesät seien. Historisch bedeutenden Lesben fehlte oft der Mut sich zu outen, weil sie nicht noch mehr diskriminiert sein wollten, als sie es ohnehin schon als Frauen waren. Denn hinter Lesbenfeindlichkeit wird generell Frauenverachtung und Antifeminismus sichtbar. Kofbingers Abschluss-Motto lautete kämpferisch: Arsch hoch, Zähne auseinander!

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