25 Jahre Freunde im Krankenhaus

„Wir merken jede Woche, wie notwendig unsere Arbeit ist“

10. Apr. 2015
Ein historisches Bild der Freunde im Krankenhaus – zur Zeit zu sehen in der Ausstellung „30 JAHRE POSITIVES ERLEBEN“ im Schwulen Museum* © Berliner Aids-Hilfe

Kuchen, Kaffee und Gespräche: Seit 25 Jahren kümmern sich die Freunde im Krankenhaus ehrenamtlich um PatientInnen auf den HIV-Schwerpunktstationen des Auguste-Viktoria-Klinikums

Die „Freunde im Krankenhaus“ (FriKs), eine Ehrenamtsgruppe der Berliner Aids-Hilfe, verwandeln jeden Sonntag den Aufenthaltsraum der Station 12 B des Auguste-Viktoria-Klinikums in das „Café Viktoria“. HIV-Positive und an Aids Erkrankte bekommen dort Ablenkung, Kaffee und Kuchen und treffen auf verständnisvolle ZuhörerInnen. Diesen Sonntag, den 12. April, feiert das Café sein 25-jähriges Jubiläum. Marianne David, die Gruppensprecherin der FriKs, schildert die Entwicklung der Arbeit im Interview mit SIEGESSÄULE.DE.

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Marianne, wie entstand das „Café Viktoria“?
Alles begann mit einer Patienten-Initiative: Hajo Neetzel äußerte 1990 den Wunsch nach einem regelmäßigen Kaffeeklatsch. Er wollte einen sicheren Raum, der eine Auseinandersetzung mit dem Sterben ermöglichte und einen Lichtblick im Krankenhaus-Alltag. Leider konnte er die Umsetzung nicht mehr miterleben. Seine Freunde Guiseppe Granito und Rolf Wagner verwirklichten die Idee nach seinem Tod. Als die Organisation für die PatientInnen zu belastend wurde, übernahm die Berliner Aids-Hilfe das Café Viktoria und gründete später die Gruppe „Freunde im Krankenhaus“. Ich selbst bin seit fünfeinhalb Jahren dabei und habe seitdem viele Sonntage im Auguste-Viktoria-Klinikum verbracht.

Wie betreut ihr die PatientInnen?
Neben dem gemeinsamen Kaffeetrinken, gehen wir mit ihnen spazieren und besuchen sie für persönlichere Gespräche auf den Zimmern. Da sich ÄrztInnen wenig Zeit für jeden einzelnen nehmen können, bleiben viele Fragen offen und die werden bei uns gestellt. Wir können keine medizinische Beratung geben, wissen aber, wo PatientInnen bei den Experten nachbohren können.

Mit der besseren Behandlungsfähigkeit von HIV hat sich viel verändert. Worauf kam es in den 90ern an und worauf kommt es heute an?
Früher war der Kern der Arbeit die Sterbebegleitung. Heute geht es darum, die Erkrankten durch den Prozess zu führen, in dem die Medikation ansetzt. Wir ermutigen sie durchzuhalten, weil die Aussicht auf ein relativ normales Leben besteht. Häufig kommen Menschen in einem sehr schlechten Zustand ins Krankenhaus, die noch nie getestet wurden. Sie sind mit der Diagnose überfordert und wissen nicht, worauf von nun an zu achten ist. Ihnen stehen wir zur Seite und beraten uns mit ihnen, damit die Nebenwirkungen der Therapie im akzeptablen Verhältnis zur Wirkung stehen.

Was ist seit den 90ern gleich geblieben?
Ich finde es erstaunlich, dass Angehörige immer noch Fragen stellen, wie: „Muss ich jetzt anderes Besteck als der/die Erkrankte benutzen?“ Zwar bekommen PatientInnen deutlich häufiger Besuch als früher, doch Ängste sind geblieben. Viele sind vor ihren Familien nicht geoutet oder haben mit Vorurteilen zu kämpfen. Wir merken jede Woche, wie notwendig unsere Arbeit ist.

Diesen Sonntag wird das Café Viktoria 25 Jahre alt. Wie feiert ihr das?
Ab 13.30 Uhr  gibt es Kaffee und Kuchen. Dieses Mal jedoch im Gründersaal des Auguste-Viktoria-Klinikums, im Haus 1. Um 14.30 Uhr beginnt der Festakt mit Künstlern wie Bernard J. Butler, Elvis Wai Cheung, Eric Lee Johnson, Fred Kastein und René Koch, Pierre de la Roche und die Kleine Berliner Chorversuchung. Die Moderation übernimmt Michael Flotho. Wir haben schon viele Zusagen bekommen, u.a von Ex-PatientInnen, dem Chefarzt der Klinik Dr. Arastéh, dem Staatssekretär für Soziales Dirk Gerstle und viele andere. Die hohe Beachtung ist sehr erfreulich, denn das Auguste-Viktoria-Klinikum bildet in Zusammenarbeit mit der Berliner Aids-Hilfe, die Keimzelle des viel gelobten „Schöneberger Modells“, mit dem durch eine gute Netzwerkstruktur zwischen den verschiedenen Kliniken, HIV-Schwerpunktpraxen und anderen Versorgungseinrichtungen die stationären Aufenthalte weitgehend minimiert werden können.

Interview: Paula Balov

25 Jahre Café Viktoria – Das Patient_innen-Café der Berliner Aids-Hilfe im Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum feiert Jubiläum, 12.04., 13:30, Gündersaal des Auguste-Viktoria-Klinikums, Rubensstr. 125, 12157 Berlin

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