MUSIK

Zarte Pflanze

17. Apr. 2015
Das Namoli Brennet Trio: Ami Zapf, Naomi Brennet und Micha Maass (v.li.n.re.) (c) Promo

Zu Beginn unseres Interviews wirkt die amerikanische Folksängerin sehr zurückhaltend. Und genau so könnte man auch ihre ihre Musik beschreiben, denn auch auf ihrer 11. Platte „Ditch Lillies“ schlägt Namoli Brennet eher leise Töne an. Doch je genauer man hinhört, desto genauer erkennt man ihre musikalische Brillanz. Seit sie vor 13 Jahren ihre erste CD „Boy in a Dress“ veröffentlicht hat, ist sie ständig auf Tour. Mit ihrem Besuch in Deutschland betritt sie jedoch Neuland und hat mit den renommierten deutschen MusikerInnen Amy Zapf und Micha Maass ein Trio gegründet.

Namoli, im Grunde bist du ja Solokünstlerin. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Amy Zapf und Micha Maass? Amy und ich waren schon eine Weile in Kontakt und sie fragte irgendwann, ob ich nicht eine Tour in Europa spielen möchte. Ein Angebot, dass ich unmöglich ausschlagen konnte.

Du gehst sehr offen mit dem Thema trans* um und auch Amy ist selber trans*. Inwieweit spielt dieses Thema eine Rolle, wenn es um künstlerische Zusammenarbeit geht? Die Hauptsache bei einer Zusammenarbeit ist, dass es musikalisch funktioniert. Das Trans*-Thema ist mehr oder minder Zufall. Auf meiner letzten CD hat Joe Stevens (auch ein Trans*-Künstler) bei drei Stücken Background gesungen – aber hauptsächlich, weil er ein fantastischer Künstler ist und ich den Klang seiner Stimme mag.

Deine Stimme lässt deinen Trans*-Background nicht erahnen. War es viel Arbeit, an diesen Punkt zu kommen? Allerdings. Ich habe ca. sechs Platten gebraucht, bis ich mit meiner Singstimme halbwegs zufrieden war. Ich habe viele Sachen ausprobiert, zum Beispiel, im Falsett zu singen. Doch das hat sich irgendwie sehr unnatürlich angefühlt und auch angehört.

Amy ist ebenfalls Sängerin und hat sich vor kurzem in Südkorea mit einer völlig neuen Methode operieren lassen, um mehr Kontrolle über ihre Stimme zu bekommen. Wäre so eine Operation für dich auch ein Thema? Im Moment auf keinen Fall. Am Anfang meiner Transition habe ich darüber nachgedacht, aber damals gab es keine phonochirurgischen Eingriffe mit guten Ergebnissen. Und neben den Kosten hat mich auch abgeschreckt, dass ich gesanglich am Ende wahrscheinlich schlechter dastünde als davor.

„Das Titelstück ‚Ditch Lilies‘ handelt von diesen wunderschönen Blumen, den Bahnwärter-Taglilien ...“

Vor 13 Jahren war die Transition für dich noch ein wichtiges Thema, das du auch musikalisch verarbeitet hast. Jetzt, auf deinem 11. Album „Ditch Lilies“ spielt es eigentlich keine Rolle mehr. Was hat dich bei dieser Platte inspiriert? Ich schreibe eigentlich permanent neue Songs. Wenn sich dann 20 bis 25 angesammelt haben,  versuche ich herauszufinden, ob es darin einen roten Faden gibt. Hier war es so, dass es viele Songs über interessante und schöne Menschen gab, deren Schönheit einem aber nicht unbedingt sofort ins Auge springen. Und das Titelstück „Ditch Lilies“ handelt von diesen wunderschönen Blumen, den Bahnwärter-Taglilien, die am Wegesrand wachsen. Für mich war das die perfekte Metapher.

2014 war gerade für die amerikanische Trans*bewegung ein wichtiges Jahr. Zum Beispiel hat es die Schauspielerin Laverne Cox es als erste Trans*frau auf das Cover des renommierten Time Magazine geschafft. Hast du persönlich etwas von der Veränderung bemerkt?  Sicher ist es heute viel einfacher als vor 10 oder 20 Jahren, trans* zu sein. Es gibt sichtbare Vorbilder, besseren Zugang zu medizinischer Hilfe und viel mehr Informationen. Aber gleichzeitig gibt es in Staaten wie Florida und Arizona Menschen, die versuchen, Gesetze zu verabschieden, die Trans*menschen  verbieten sollen, die Toiletten zu benutzen, die ihrem Identitätsgeschlecht entsprechen ...

Im letzten Jahr wurdest du in die Trans* 100-Liste aufgenommen. Für diese Liste werden jedes Jahr Menschen nominiert, die für die Trans*bewegung in den Staaten wichtig sind. Würdest du dich als Trans*aktivistin bezeichnen? Aktivisten sind für mich Leute, die mit Schildern auf der Straße demonstrieren oder auf politischer Ebene agieren. Das tue ich nicht, aber mir war klar, als ich meine erste CD „Boy In A Dress“ veröffentlicht habe, dass ich mich damit als Trans*frau oute. Daher habe ich kein Problem damit, darüber zu sprechen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Jedoch glaube ich, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, sich zu engagieren. Eine davon ist, das eigene Leben kompromisslos zu leben.  

Interview: Kaey

Namoli Brennet mit Band, 19.04., 20:00, Kesselhaus der Kulturbrauerei

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