BÜHNE

Conchitas laszive Schwester

16. Mai 2015
Anna Prohaska als Anne, Nicolas Ziélinski als Baba the Turk © Ruth Walz

Igor Strawinskys „The Rake‘s Progress“ läuft wieder als queeres Roadmovie an der Staatsoper

16.05. – Perfektes Timing, als wär’s die Operninszenierung speziell zum Wiener Eurovision Song Contest mit unser aller Conchita Wurst: „The Rake‘s Progress“ von Igor Strawinsky an der Staatsoper im Schillertheater, die hier 2010 Premiere gefeiert hat, jetzt als Wiederaufnahme auf dem Spielplan. Nachdem der Protagonist Tom Rakewell sämtliche Lüste ausgekostet hat und alles nur noch fade findet, heiratet er, angestachelt von seinem gewieften Diener Nick Shadow, eine bärtige Diva, die als Jahrmarktsattraktion für Furore sorgt. Gegen diese Baba the Turk, an der Staatsoper vom Countertenor Nicolas Ziélinski zum Niederknien glamourös, zickig und gleichzeitig zutiefst empathisch, liebenswert und charmant verkörpert, wirkt die gute Conchita letztlich wie eine brave Klosterschülerin. Ziélinski gibt seiner Baba laszive Glanzmomente, gegen die auch viele der Berliner Drag-Queens blass aussehen.

Die Inszenierung von Polens Regie-Wunderknabe Krysztof Warlikowski und seiner offenbar unaufhörlich inspirierten Ausstatterin Małgorzata Szczęśniak hat auch knapp fünf Jahre nach der Premiere an der Staatsoper nichts von ihren knalligen Farben und scharfen Kanten verloren:Tom Rakewell, der unversehens durch ein Erbe reich wird und sich dem diabolischen Nick Shadow anvertraut, der ihm zwar Sex, Drugs and Rock’n’Roll verschafft, aber es nicht gut mit ihm meint, wird hier in Andy Warhols legendäre Factory geschickt. Diese historische Verortung fungiert in der Inszenierung als perfekter Spiegel für das Lebensgefühl der Party-Szene von heute. Auf jeden Fall bevölkern auratische Transen und bewegliche Muskel-Männer die Szene, die einiges zu zeigen haben, einschließlich, wie man sinnlich eine Banane isst. Neben der Baba sind sämtliche Hauptpartien hervorragend besetzt, es wird himmlisch gesungen und so prall und präsent agiert, dass man sich mitten in der Szene wähnt. Und Dirigent Domingo Hindoyan heizt die Staatskapelle  tüchtig an, was im klingenden Ergebnis den Funken überspringen lässt.

Eckhard Weber

Nächste Aufführungen:

Staatsoper im Schillertheater, 21., 24. + 29.5, jeweils 19.30 Uhr

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