Neuer Verlag

Wechsel der Perspektiven

22. Mai 2015
Ganz neu im Berliner Verlagsgeschäft: Lann Hornscheidt (re.) und Steff Urgast (c) Foto: J. Jackie Baier

– Mit ihrem Verlagsprojekt w_orten & meer treten Lann Hornscheidt und Steff Urgast an, um gezielt antidiskriminierende Bücher zu verlegen – Szenenah und demokratisch. Ein Interview mit den beiden über geschlechtsneutrale Wörter und die Herausforderungen eines Non-Profit-Verlags

Was bewegte euch, einen Verlag ins Leben zu rufen? Lann: Bücher sind ein tolles Medium, um gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen. Durch meine Arbeit in einem Buchladen und meine Uni-Tätigkeit kam dann irgendwann der Gedanke, einen eigenen Verlag zu gründen – und dafür habe ich sofort Steff mit an Bord geholt. Steff: Ich liebe die Idee, politische Projekte zu gestalten und dadurch den Alltag und auch das Umfeld mit verändern zu können. Mit einem Verlag ist das besonders gut möglich, weil Bücher hervorragend geeignet sind, komplexe Inhalte zu übermitteln.

Euer Projekt-Slogan ist „Verlag für antidiskriminierendes Handeln“. Das bedeutet? L: Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten, gegen Diskriminierung vorzugehen. Unser Ansatz sind diverse, ganz neue Genres unserer Publikationen sowie der wichtige Aspekt der Sprache, gerade in Bezug auf antirassistische Sprache und eine Infragestellung von Zweigeschlechtlichkeit. Wie kann etwa das geschlechtsneutrale „they“ ins Deutsche übersetzt werden? Der Verlag probiert neue Formen aus, damit sich diskriminierte Personen in den Texten wiederfinden und sich anwesend fühlen.

Spielen auch persönliche Erfahrungen mit Diskriminierung in eure Arbeit mit rein? S: Ich persönlich erlebe im Alltag häufig Diskriminierung. Ob es bestimmte Gender-Zuschreibungen sind, die ich für mich als unpassend empfinde, bis hin zu körperlichen Attacken, weil ich als Lesbe oder Trans gelesen werde. Diskriminierungserfahrungen und die Strukturen dahinter spielen daher eine große Rolle und wir versuchen, diese produktiv und stark in den Buchherausgaben umzusetzen.

Welche Voraussetzungen braucht es, um bei euch verlegt zu werden? L: Wir müssen uns bewusst machen, dass beispielsweise schwarze Personen unglaublich wenig Raum haben, überhaupt Sachen zu äußern und selbst gestalten zu können. In diesem Sinne geht es nicht nur darum, was für Bücher wir machen, sondern auch wie wir sie machen. Können Leute für sich selbst sprechen? Oder sind es dann doch wieder weiße Personen, die über Schwarze sprechen? Ein großes Anliegen unseres Verlags ist es, dass alles positioniert ist. Soll heißen: Leute, die von Rassismus diskriminiert werden, schreiben auch über Rassismus. Die Übersetzung eines Trans*- Buchs wird von einer Trans*-Person vorgenommen und so weiter.

Eure Bücher werden es wahrscheinlich nicht einfach auf dem umkämpften Buchmarkt haben. L: Wir wissen natürlich, dass die meisten unserer Bücher nicht unbedingt Bestseller werden, und haben gesagt, dass wir uns fünf Jahre Zeit geben, um zu sehen, ob wir uns danach über die Verkäufe, Veranstaltungen und andere Events finanzieren können. Der Verlag ist nicht auf Profit aus, sondern darauf, sich selbst zu tragen und einen Raum für Neues zu schaffen. S: Außerdem setzen wir auf Kooperationen mit anderen Verlagen. Wir sehen uns nicht als Konkurrenz, sondern als Teil eines kulturellen Netzwerks. Wichtig ist außerdem: Uns macht die Arbeit viel Spaß und das Feedback ist positiv.

Interview: Daniel Segal

w_orten & meer verlags- und book-release-party, 22.05., 21:30, Südblock

Mit Vorstellung der ersten drei Bücher:

Rae Spoon & Ivan E. Coyote, „Goodbye Gender“, 14,95 Euro

Emily Ngubia Kuria, „eingeschrieben. Zeichen setzen gegen Rassismus an deutschen Hochschulen“, 14,95 Euro

Jayrôme C. Robinet, „Das Licht ist weder gerecht noch ungerecht”, 15,95 Euro


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