Pädophilie-Debatte

„Wir schämen uns“

20. Mai 2015
Daniel Wesener und Bettina Jarasch

Ein heute vorgestellter Bericht der Berliner Grünen zeigt: Der Landesverband war über Jahre hinweg auch eine Art Auffangbecken für Pädophile

„Ich bin der Schwulenbewegung dankbar, dass ich als homosexueller Mann heute selbstbestimmt leben kann. Umso schockierender ist es jetzt festzustellen, wie nahe sich queere und pädosexuelle Forderungen in vielen Jahren standen.“ Mit diesem persönlichen Statement hat Daniel Wesener, Landesvorsitzender der Grünen in Berlin, die heutige Pressekonferenz eingeleitet. Gemeinsam mit der Co-Vorsitzenden Bettina Jarasch und der zehnköpfigen Kommission stellte er die Ergebnisse eines Berichts zu Pädophilie und sexualisierter Gewalt vor.

Das Ergebnis: Vor allem schwule Männer innerhalb der Alternativen Liste (AL), der Vorläuferorganisation der Berliner Grünen, saßen über viele Jahre hinweg dem Irrglauben auf, dass ein Kampf gegen Diskriminierung und eine bürgerliche Sexualmoral gleichzeitig auch ein Kampf für die Straffreiheit vermeintlich einvernehmlicher Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern beinhaltet. „Alle konkreten Initiativen“ in diese Richtung seien „aus den Reihen des Bereichs Schwule der Alternativen Liste“ gekommen, der zudem allgemein als „politische Lobby der pädosexuellen Missbraucher auftrat.“ Sogar mehrfach vorbestrafte Pädosexuelle haben bei der AL politischen Handlungsraum bekommen – Zu groß war die Solidarität mit den Tätern, die sich sehr gerne selbst zu Opfern einer repressiven Staatsordnung stilisieren ließen. 

Wie sehr die AL durch Pädosexuelle unterwandert wurde, zeige auch die Tatsache, dass 1992 (Auflösung 1995) durch Fred Karst mit „Jung und Alt“ eine Unterorganisation der Schwulen bei der AL gegründet wurde, deren Aktivitäten aber zu einem großen Teil noch nicht aufgedeckt werden konnten. In der Pressekonferenz war die Rede von „Butterfahrten an die Ostsee“ oder „Hausaufgabenbetreuung.“ Kritik an der falschen Toleranz gegenüber Pädosexuellen kam während all den Jahren einzig aus der Kreuzberger Frauengruppe der AL bzw. Grünen, durchsetzen konnte sie sich damit jedoch nie.

„Wir schämen uns für unser Versagen“, räumte Bettina Jarasch heute Vormittag ein, die immer wieder darauf verwies, dass der vorliegende Bericht alles andere als ein Abschlussbericht sei. Zu sehr fehlt aktuell noch die Perspektive der Opfer. Abseits der Grünen selbst verweist der Bericht aber auch auf andere Akteure der Berliner Schwulenbewegung hin. So werden etwa die AHA, das SchwulenZentrum (SchwuZ) und auch SIEGESSÄULE in unterschiedlichsten Zusammenhängen erwähnt.

Wir werden dieses Thema in der Juli-Ausgabe der SIEGESSÄULE genauer beleuchten.

Daniel Segal

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