Kommentar

Die Gleichwertigkeit von Liebe

27. Mai 2015
Jan Noll @ Joseph Wolfgang Ohlert

– Um ehrlich zu sein: Die Ehe als Institution bedeutet mir nichts. Immer schon habe ich mir die Frage gestellt, was genau Staat und Kirche eigentlich in meinem Privatleben zu suchen haben? Warum werden Menschen beispielsweise steuerlich dafür belohnt, dass sie (vordergründig) Monogamie leben? Und das, obwohl zumeist ohnehin nicht viel Ernsthaftigkeit dahinter steckt, denn sonst könnten Puffs und Popp-Portale eigentlich dichtmachen. Die staatlich subventionierte Zweisamkeit wird mir, ähnlich wie die zwangsverordnete Binarität der Geschlechter, also immer ein Rätsel bleiben.

Dennoch wäre es naiv daraus zu schlussfolgern, dass es keinen Sinn mache, für die Gleichstellung der Homo-Ehe zu kämpfen. Denn auch, wenn viele Schwule und Lesben sicherlich ähnlich skeptisch gegenüber dieser überholten Hetero-Institution sind, ist sie doch gesamtgesellschaftlich betrachtet eine Einrichtung mit höchstem Symbolcharakter. Sie ist das sichtbare, offizielle Zeichen für den Respekt, den die Gesellschaft einer Liebe zwischen Menschen entgegenbringt. Eine Art „Gütesiegel“, um deutlich zu machen: Wir freuen uns ja so für euch. Werdet mal schön glücklich, wir helfen dabei. So grotesk und so wahr. Und das ist der Grund, weshalb wir nur eine vollkommene Anerkennung innerhalb der Gesellschaft erreichen können, wenn zumindest der Staat sagt: Ja, eure Liebe ist gleichwertig. Dass Frau Merkel, um sie jetzt mal als Symbolfigur zu nennen, bis heute nicht dazu in der Lage ist, bleibt ein Skandal. Doch auch wir sollten uns an die eigene Nase packen, denn brauchten wir erst die Entscheidung Irlands für die Öffnung der Ehe, um selber wieder ein Thema ins Visier zu bekommen, das in weiten Teilen der Community aus dem Fokus geraten war. Während wir (zu Recht) in Dauerschleife empört nach Russland, Uganda oder Nigeria blickten, rutschte Deutschland, was Menschenrechte für Homo-, Trans*- und Intersexuelle betrifft, im europäischen Vergleich unversehens auf Platz 14, wie die ILGA (International lesbian, gay, bisexual, trans and intersex association) in ihrem kürzlich veröffentlichten Bericht feststellte. Das dürfen und können wir nicht hinnehmen. Es wird Zeit, den Dreck vor der eigenen Tür zu beseitigen. Wir brauchen die Ehe für alle, wir brauchen sie jetzt.  

Jan Noll

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