CSD

Alles nur Phrasen, Herr Müller?

16. Juni 2015

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller enthielt sich bei der Abstimmung zur Homo-Ehe. Das bringt Aktivisten wie Alfonso Pantisano von ENOUGH IS ENOUGH kurz vor dem CSD in Rage

Das SIEGESSÄULE-Interview mit Alfonso Pantisano von ENOUGH IS ENOUGH

Steht Michael Müllers Rede, in der er sich für die Ehe für alle aussprach, im Kontrast zur Enthaltung Berlins bei der Bundesratsabstimmung am 12. Juni 2015? Alles nur leere Phrasen? Wir nehmen ihm sein Engagement für die LGBTI-Community durchaus ab und die Rede war großartig. Aber wir finden auch, dass sein Engagement nur 80 Prozent Wert ist. Die letzten 20 Prozent hätten bedeutet, dann, wenn es darauf ankommt, die Hand zu heben. Und das hat er nicht gemacht.

Sein Argument lautet, dass er den Arm deshalb nicht heben konnte, weil der Koalitionsvertrag mit der CDU klar vorschreibt, dass sich das Land Berlin im Falle einer Uneinigkeit bei Bundesratsbeschlüssen enthält. Was wäre die Alternative gewesen? Alle bei der SPD sagen ja jetzt, dass sie weiter für uns kämpfen, weil sich die CDU in den Weg gestellt hat. Aber kämpfen heißt für uns eben gerade nicht, sich wieder umzudrehen oder stehenzubleiben, nur weil die CDU blockiert. Für uns hätte das bedeutet, dass man an einer CDU vorbei geht. Und ob daran die Koalition wirklich gescheitert wäre, steht auf einem ganz anderen Blatt. Denn wir reden hier über Menschenrechte und Artikel 3 unseres Grundgesetzes, der besagt: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Genau das aber trifft für unser Land nicht zu. Und deshalb haben wir bei dieser Frage kein Verständnis dafür, dass die Politik uns sagt, dass sie sich wegen eines Vertrages der Stimme enthalten muss.

Du kritisierst insbesondere Dilek Kolat. Senatorin für Integration. Warum? Weil es nicht sein kann, dass Frau Kolat ein Schild mit „Mein Ja habt ihr“ in der Hand hat, sich dann aber bei der Abstimmung enthält und damit genau das Gegenteil macht. Da bringt mir das ganze Gelabere davor und danach nichts, wenn sie im entscheidenden Moment nicht auf unserer Seite ist. „Mein Ja habt ihr“ ist in Dilek Kolats Fall ein Täuschungsmanöver und sie hätte an dem Tag deshalb zumindest den Anstand haben sollen, sich dann nicht auch noch für ein Pressefoto zur Verfügung zu stellen.

Wir müssen aber den Mut haben zu sagen: „Nein Herr Müller, heute gibt es keine Rede!“

Du forderst auch, dass Michael Müller nicht die CSD-Eröffnungsrede halten soll. Noch mal: Michael Müller ist ein Unterstützer der LGBTI-Community. Das wissen wir. Aber darum geht es nicht, es geht darum, wie er sich im entscheidenden Moment politisch verhält. Wir brauchen keine Politiker, die uns unterstützen wollen, wir brauchen Politiker, die uns wirklich unterstützen.  Was soll uns Michael Müller erzählen? Dass er weiterhin für uns kämpft? Das hätte er im Bundesrat machen können. Ich bin über seine Enthaltung enttäuscht und ein Großteil der Community ist es auch, und ich wehre mich dagegen, dass viele so tun wollen, als sei jetzt alles in Butter, denn das ist es einfach nicht.

Der CSD e.V.  und andere Akteure der Community freuen sich weiterhin auf Müllers Rede und berufen sich dabei auf die Tatsache, dass ohnehin klar war, dass es eine Bundesrats-Mehrheit für die Initiative geben würde … Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Fakt ist doch: Michael Müller hat uns ganz klar im Stich gelassen. Ich sehe hier das Problem, dass sich viele LGBTI-Verbände und -Organisationen aufgrund der persönlichen Kontakte und der langjährigen eigenen Lobbyarbeit im entscheidenden Augenblick nicht positionieren können. Wir müssen aber den Mut haben zu sagen: „Nein Herr Müller, heute gibt es keine Rede!“ und „Nein Frau Kolat, heute gibt es kein Presse-Foto!“

Interview: Daniel Segal

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