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„Sexistischer und rassistischer geht es kaum"

18. Juni 2015
Jennifer Petzen (C) Lesbenberatung

Ihr sagt, dass eure Unzufriedenheit trotz „versuchter Auseinandersetzungen mit den Organisator_innen“ in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist. In welche Richtung gingen diese Auseinandersetzungen? Wir und andere Organisationen wollten alternative Anlauf- und Awareness-Strukturen jenseits von Polizei und Security, von und für Betroffene in Kooperation mit Vereinen und Organisationen, die auch auf dem Stadtfest repräsentiert sind. Auch eine statistische Erfassung und Dokumentation der Vorfälle ist aus unserer Sicht notwendig. Aber: Obwohl wir immer wieder von Diskriminierungserfahrungen berichtet haben, lautete die Antwort des Regenbogenfonds regelmäßig: „Nein, es gibt keine Diskriminierung.“ Eine Art Lösung dafür sollte jetzt wohl die Frauen/Trans-Bühne sein, doch bleibt dabei das Problem der Diskriminierung immer noch unthematisiert.* Was fehlt, ist eine Präventionsstrategie – und wir wissen, dass das bei Gewalt und Diskriminierung das effektivste Mittel ist. 

Das diesjährige Stadtfest-Plakat war der endgültige Auslöser für euren Ausstieg. Wie sollte ein Plakat in deinen Augen aussehen? Es wäre besser gewesen, bei dem Entwurf auch tatsächlich People of Color einzubeziehen. Es gibt viele andere Plakate, die queere Events ankündigen und dabei nicht auf rassifizierende Merkmale und Klischees setzen. Genau das passiert aber bei der muslimischen Frau, die eine weiße Deutsche küsst. Diese Muslimin mit Kopftuch ist als Opfer zu lesen, die ihre Emanzipation durch einen Kuss mit einer mehrheitsdeutschen Queer-Frau erlebt. Abgesehen davon hat es weh getan, dass man sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, die arabische Übersetzung und Schreibweise korrekt zu machen. So fühlt sich eine muslimische Frau bestimmt nicht repräsentiert. Eine Kritik, die seitens verschiedener Migrant_innenselbstorganisationen schon seit einigen Jahren besteht. Es macht den Eindruck, als hätte man diese Kritik nun aufgreifen wollen. Leider aber erleben wir wieder einmal den Blick der Mehrheitsgesellschaft.

Das Echo zu eurem Ausstieg bestand gerade in den sozialen Netzwerken teilweise aus massiven Beleidigungen. Hättest du mit dieser Reaktion gerechnet? Als Wissenschaftlerin und Aktivistin bin ich überhaupt nicht überrascht und hatte damit durchaus gerechnet. Trotzdem finde ich es nach wie vor traurig, dass Menschen, die von gewissen Diskriminierungsformen nicht betroffen sind, so wenig Empathie zeigen. Die sexistischen und rassistischen Statements zeigen, wie dringend wir eine offene Diskussion über Diskriminierung brauchen. Uns wurde ja u.a. vorgeworfen, dass wir Lesben immer über unseren „Daueropferstatus“ jammern. Sexistischer und rassistischer geht es ja wohl kaum, doch vor allem: Wir machen keine Opfer-Politik, sondern handeln aus einem Empowerment-Ansatz heraus und akzeptieren keinen Zustand, der nicht mit unserer Würde im Einklang steht. Und wenn ich das Grundgesetz richtig verstanden habe, ist das unser gutes Recht. 

Gibt es eine Option, dass ihr nächstes Jahr wieder dabei seid? Ja klar. Wir hoffen, dass das einmalig bleibt und sind nach dem Fest zu Gesprächen mit dem Regenbogenfonds e.V. verabredet. Ich bin optimistisch, dass es dann eine produktive Diskussion geben wird.

Interview: Daniel Segal

*update 19.06. – Jennifer Petzen bittet zum richtigen Verständnis um Ergänzung dieser Aussage wie folgt:
Die FrauenLesbenTrans*-Bühne wurde vor sieben oder acht Jahren ins Leben gerufen (zunächst in der Verantwortung der Lesbenberatung) mit dem Ziel den Frauen/Lesben-Bereich auf dem Stadtfest zu unterstützen und das Programm für die Besuchenden interessanter zu machen. Es war nicht ein Ergebnis der Diskussionen über Diskriminierung und Übergriffe auf dem Fest.

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