CSD 2015

Weltweit einzigartig

22. Juni 2015
V. l. n. r., obere Reihe: Christian Diesterhöft, Gaby Tupper (AHA), Jana Maria (Queer Leben), Kai-Oliver Pöhle (AHA), mittlere Reihe: Thorsten Lampe (Schwulenberatung), Erna Pachulke, Bernard J. Butler, untere Reihe: Schwester Suzette, Daphne de Baakel von den Schwestern der perpetuellen Indulgenz © Alex Photoplatz

Die Wahl zur Miss CSD konnte in diesem Jahr Erna Pachulke für sich entscheiden. Während der Pride-Week und darüber hinaus soll sie auf verschiedenen Events wie dem Lesbisch-Schwulen Stadtfest den CSD 2015 repräsentieren. Nach den Streitigkeiten im letzten Jahr ist ihr Motto für 2015: „Just One Community“

Erna, du hast die Wahl mit dem von dir selbst geschriebenen Song „LGBTTIQ – Just One Community“ gewonnen. Ist das auch deine Botschaft als Miss CSD?
Ja, wir sind eine Community, und darauf sollten wir uns konzentrieren und uns nicht aufspalten lassen. Letztes Jahr haben wir uns als zerstrittener Haufen gezeigt. Das halte ich für ganz gefährlich, weil es mittlerweile genügend Feinde gibt außerhalb unserer Community – die religiöse Rechte wird politisch immer stärker. Und deswegen geht meine Message an die, die immer nur Probleme sehen: Meckert nicht, macht euch lieber selber die Finger schmutzig und helft mit. Community ist das, was du draus machst. Und deswegen konzentriere ich mich als Miss CSD nur auf die Aspekte der Community, die funktionieren. Ich möchte die Aufmerksamkeit auf die Menschen lenken, die das ganze Jahr über ehrenamtlich arbeiten. Als Dankeschön für ihre fantastische Arbeit werde ich ihnen Blumen überreichen. Bei einigen habe ich das schon gemacht: Thorsten Lampe von der Seniorenbetreuung in der Schwulenberatung, Bernard Butler vom Candlelight Memorial für aidskranke Kinder, den Mitarbeitenden bei Queer Leben, TrIQ und in der AHA. Und es gibt noch so unfassbar viele. Auf unsere Community können wir verdammt stolz sein. Das, was wir hier in Berlin haben, ist weltweit einzigartig.

Siehst du dich als Miss CSD jemandem verpflichtet?
Nur meinem eigenen Gewissen. Ich wurde von der Community gewählt, bin als Miss CSD eine völlig unabhängige und kritische Instanz, habe nichts mit dem CSD e. V. zu tun. Aber ich habe großen Respekt vor der ehrenamtlichen Arbeit des Vereins: Das sind zum Teil neue Vorstände, die mit dem Streit des letzten Jahres nichts zu tun haben, die aus einer miserablen Lage heraus versuchen den CSD auf die Beine zu stellen und an sich selbst am meisten sparen. Dieser Spirit erinnert mich an die Anfänge der Schwulenbewegung.

Wie wichtig ist es dir, dich für Menschen einzusetzen, die innerhalb der Community ausgegrenzt werden?
Ich wende mich gegen jede Form von Ausgrenzung: Transphobie, Homophobie, Islamophobie. Und gegen den Körperfaschismus. Unter welchem Druck müssen Menschen leiden, dass sie sich erst dann lieben können, wenn sie einen perfekten Körper haben? Und diesen Selbsthass richten viele dann leider gegen andere Menschen, die nicht perfekt aussehen.

Wie gehst du als Trans*frau mit Ausgrenzung innerhalb der Community um? Ein Leser auf SIEGESSÄULE.DE hatte dich zum Beispiel als „alte Bäuerin“ und „Trümmertranse“ beschimpft.
In dem Moment habe ich an die Berliner Trümmerfrauen gedacht, die nach den Bombenangriffen den ganzen Dreck weggeräumt haben. Diese Frauen respektiere ich. Bezeichnet mich gerne als Trümmertranse, ich fühle mich geehrt, in einer Reihe mit diesen unglaublichen Frauen zu stehen, ich packe selbst mit an und räume den Dreck weg. Und bezeichnet mich gerne als alte Bäuerin, das ist ein ehrbarer Beruf. Diese Bezeichnungen sagen mehr über die Wertigkeit derer aus, die solche Dinge sagen. Die andere erniedrigen, um ihre eigenen Ängste und Defizite zu kompensieren.

Was empfiehlst du gegen diese ausgrenzenden Denkmuster?
Jeder Mensch, der Ausgrenzung erfährt, erlebt das als Kränkung. Die erste Reaktion bei vielen Menschen scheint zu sein, diese Kränkung heilen zu wollen, indem sie selber die Kränkung weitergeben. Dass sie sich selber erhöhen über andere, um die vorherige Erniedrigung ertragen zu können – der ewige Kreislauf der Diskriminierung. Jeder einzelne Mensch sollte sich fragen: Will ich das wirklich weitergeben? Und das bitte auch über den CSD hinaus.

Interview: Mara Donath

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