Film

Mea maxima culpa

2. Juli 2015

Heute startet die Dokumentation „Der Papst ist kein Jeansboy”, die eine Woche im Leben von Hermes Phettberg zeigt. Ein Interview mit dem Schauspieler, Schriftsteller und Künstler aus Österreich

Die Doku „Der Papst ist kein Jeansboy“ zeigt eine Woche im Leben des österreichischen Literaten, Aktionskünstlers und bekennenden Masochisten Hermes Phettberg. Durch seine unkonventionellen Fernsehauftritte und eine eigene Talkshow wurde er in den 90ern zum Medienstar, doch der Film zeigt ihn verarmt und von mehreren Schlaganfällen gezeichnet. Da Hermes Phettbergs Sprachzentrum mittlerweile beeinträchtigt ist, wurde das folgende Interview per Mail geführt

Hermes, warum hast du dich der Anstrengung dieses Film- projekts ausgesetzt? Ich bin und war mein Leben lang total exhibitionistisch und narzisstisch, obwohl viele sagen, ich sei zu fresssüchtig, als dass ich mich wirklich als Narzisst bezeichnen dürfte.

Du beschreibst dich selbst als einen Elenden. Gibt es in deinem Leben dennoch Momente des Glücks? Jede Sekunde, in der ich einen Jeansboy erblicke, bin ich bereits im Himmel! Ich bin allerdings physisch so unattraktiv, dass noch nie jemand „es“ mit mir getrieben hätte und generell so herrisch, dass kein Mensch die Nerven hat, es mit mir auszuhalten.

Was macht die Erotik eines Jeansboys aus? Eigentlich bin ich ein einfacher Bauer geblieben. Mir genügen hautenge Blue Jeans, dass du ordentlich darunter schwitzen musst und es bestens versaut riecht, auf einem halbwegs passenden Leib. Du siehst auch in den Augen des dir begegnenden Burschen, ob er ein Jeansboy ist, denn sie schauen immer verwegen aus. Wer verwegen aussieht, verehrt damit eigentlich Gotty, ohne es zu wissen, denn was könnte Gotty sonst sein, als ein geiles Fest-zu-uns-Haltendes!

Bei der Filmpremiere hast du in einer Bühnenperformance die 13. Station des Kreuzwegs nachgestellt. Drei Jeansboys haben dich gezüchtigt, dazu gab es Weihrauch und Musik. Immer wieder thematisierst du diese Verbindung von Katholizismus und Sexualität. Woher kommt das? Ursprünglich wollte ich Pfarrer werden, denn in der kleinen Weinviertler Ortschaft Unternalb, wo ich herkomme, lernte ich nur den Beruf des Briefträgers, des Bauern und des Pfarrers kennen. Bauer werden, hätte geheißen, schwer arbeiten zu müssen. Also wollte ich natürlich sofort Pfarrer werden. Denn Briefträger wäre unter meiner Würde gewesen. Als Priester musst du ganz brav sein, darfst nie sexuell etwas treiben, nicht einmal wichsen. Meine erste Zeit, wo ich bei den Augustiner Chorherren Postulant gewesen bin, bemühte ich mich eine gewisse Zeit, ja nie zu wichsen, doch es endete jämmerlich wichsend am Häusl der Augustiner-Chorherren-Männertoilette.

Sobo Swobodniks gesamter Film parallelisiert die Stationen des katholischen Kreuzwegs mit deinem Leben. Was bedeutet dir Religion? Es ist mir eigentlich eine große Ehre mit Genosse Jesus verglichen zu werden, obwohl ich schon jammere, wenn ich ein bisschen Schmerzen erleiden muss. Ich fänd es süß, wenn es wirklich ein Gotty gäbe. Und ich wäre so gerne ewiger Sklave. Aber ich ersticke im Nicht-glauben-Können und vermag nicht zu beten oder zu meditieren.

Das Honorar für eine deiner Fesselungsaktionen hast du einer türkischen Trans*person gespendet, die man in ihrer Heimat verfolgte. Warum war dir das wichtig? Alle Welt leidet ununterbrochen. Als die Aktion im Herbst 2012 neben dem Café Rüdigerhof stattfand, bei der ich nackt an einen festen, dicken Baum gefesselt wurde, hatten die Grünen, die ich derzeit immer brav wähle, die Mann-Frau aus der Türkei im Blickfeld. Dort ist es absolut verboten, mit seinem Geschlecht herumzuspielen. Also war ich sofort der ihre. Ich bin nur leider Gottes selber so bettelarm, dass ich niemandem wirklich etwas weiter finanzieren könnte. Ich selber verfresse mir immer alles, sodass ich nie schlank und schön werde. Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa.

Im Film sprichst du davon, 109 Jahre alt zu werden. Wie willst du das anstellen? Als Sobo Swobodnik den Film 2011 drehte, hatte ich noch 72 Kilo. Jetzt aber fress ich mich wieder zu Tode. Also musste ich die Hoffnung des Jahres 2011, dass ich noch viel älter werden könnte, längst aufgeben.

Interview: Andreas Scholz

„Der Papst ist kein Jeansboy“, D 2011, R.: Sobo Swobodnik, ab heute im Babylon Mitte

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