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„Angela Merkel wird sich der Mehrheit beugen müssen“

19. Juli 2015
Lili Sommerfeld (c) Doro Zinn

Im Juni ist die Initiative „Ehe für alle“ angetreten, um Druck auf die Politik auszuüben. Die Sängerin Lili Sommerfeld und Ehe-Aktivistin im SIEGESSAEULE.DE-Interview über den Stand der Dinge

Am 1. Juni 2015 wurde die Initiative „Ehe für alle“ offiziell gegründet. Schon jetzt hat das Bündnis rund 40 Mitglieder und über 11.000 Facebook-Anhänger. „Diese Stimmung müssen wir nutzen“, sagt Lili Sommerfeld, die gemeinsam mit Dirk Ludigs die Koordination der Initiative übernommen hat.

Lili, wie kam es zur Gründung der Initiative „Ehe für alle“? Ich habe mich seit Herbst 2014 intensiver mit der Thematik auseinandergesetzt und irgendwann eine Facebook-Page mit dem Namen „Ehe für alle“ eröffnet, Verbände kontaktiert usw. Die Resonanz war zuerst eher durchschnittlich, dann aber hat mich „Enough is Enough“ zum IDAHOT eingeladen, wo ich meine Initiative vorstellen durfte, das Irland-Referendum kam, und Volker Beck von den Grünen, den ich zuvor mehrfach erfolglos kontaktiert hatte, verwendete auf einmal meinen Begriff „Ehe für alle“ in der „Tagesschau“.

Wie ging es dann weiter? Meine Page hatte auf einmal viel mehr Traffic und wurde unter anderem auch von Sören Landmann gesehen, dem Vorsitzenden des Aktionsbündnisses gegen Homophobie. Er ist der eigentliche Initiator unserer Initiative in ihrer jetzigen Form. Kurz darauf gab es dann eine Telefonkonferenz mit circa 20 Leuten, die zahlreiche Bündnisse, Vereine, Initiativen etc. vertreten haben, wie etwa den LSVD, die Deutsche AIDS-Hilfe, die Wirtschaftsweiber und viele mehr. Am Ende haben dann Dirk Ludigs und ich gesagt, dass wir die Koordination von „Ehe für alle“ übernehmen möchten.

Was ist seitdem passiert? Mittlerweile ist die Initiative „Ehe für alle“ das größte LGBT-Bündnis der Geschichte, worauf ich sehr stolz bin. Fast jeden Tag kommen neue Mitglieder dazu. Ansonsten wollen wir dazu beitragen, dass dieses Gefühl, diese Wahrheit nicht mehr weggeht, dass wir als gesamte Gesellschaft in einem Land leben möchten, in dem die Ehe für alle möglich ist. Dazu fahren wir auf fast alle CSDs, sprechen mit vielen Menschen und sammeln Spenden für unsere Aktionen. Das Ehe-Thema ist einfach DAS Thema, das für die gesamte LGBTQ*-Community dieses Jahr endlich ansteht. Diese Stimmung müssen wir nutzen.

Siehst du die Gefahr, dass diese Stimmung wieder abflaut, bevor es zu einer möglichen Gesetzesänderung kommt? Am Anfang hatte ich diese Sorge schon. Inzwischen denke ich aber, dass das nicht passieren wird. Eben, weil die Frage nach einer Öffnung der Ehe nicht nur ein Zeitgeist-Thema ist. Viel mehr geht es um die grundsätzliche Wahrheit, dass wir es hier mit einer großen Ungerechtigkeit zu tun haben. Und genau das ist in den Köpfen der Menschen auch endgültig angekommen – ganz gleich, ob schwul, lesbisch, trans oder heterosexuell.

Angela Merkel hat in letzter Zeit wiederholt klargestellt, dass für sie die Ehe weiterhin Mann und Frau vorbehalten bleiben sollte. Wird sie diese Position durchhalten können? Meine größte Hoffnung ist, dass sich die Stimmen aus CDU und sogar CSU, die die Ehe für alle bereits befürworten weiter mehren. Ich denke, dass sich Angela Merkel irgendwann der Mehrheit in der Gesellschaft, aber auch der in ihrer eigenen Partei beugen muss, die sagt: Ja, alle Paare sollten heiraten dürfen. Denn egal, was sie selbst denkt, wird sie alles für den Machterhalt tun. Jetzt muss Angela Merkel natürlich noch eine Argumentation finden, mit der sie ihren plötzlichen Gesinnungswechsel begründen kann. Ich hoffe da sehr auf den Bundesparteitag der CDU im Dezember.

Inwiefern? Weil das Thema dort im größeren Rahmen verhandelt werden wird. Und da wird sich hoffentlich zeigen, dass es bis auf eine kleine, schrille Minderheit auch bei der CDU nicht mehr sehr viele konservative Hardliner gibt. Und die Handvoll, die da noch ist, wird sich irgendwann auch damit abfinden müssen, dass die Ehe für alle kommen wird. Und sei es nur aus wirtschaftlichem Kalkül heraus. Denn die Wirtschaftsunternehmen wollen beim Kampf um die besten Talente der Welt keinen Nachteil haben. 

Was ist bei euch bis zu diesem Parteitag geplant? Dazu möchte ich nicht allzu viel sagen, weil der Überraschungseffekt nicht verloren gehen darf. Aber soviel sei verraten: Wir planen eine große Kampagne, für die wir Spenden sammeln.

Wann denkst du wird es soweit sein, dass wir die Ehe für alle haben? Ich hoffe und halte es auch für möglich, dass es noch in dieser Legislaturperiode gelingen kann. Was ich nicht möchte, ist, dass die Öffnung der Ehe zu einer Verhandlungsmasse in der nächsten Bundestagswahl wird. Es kann nicht sein, dass ein Menschenrecht plötzlich gegen etwas wie die Maut verhandelt wird. Ich wünsche mir eine starke Bürgerbewegung, die den Wechsel schon vorher erwirkt.

Interview: Daniel Segal


Alle Informationen: www.ehefueralle.dehttps://www.facebook.com/ehefueralle2015

Das Aktionsbündnis gegen Homophobie e.V. hat im Rahmen der Initiative ein Spendenkonto eingerichtet. Als gemeinnütziger Verein sind Spenden steuerlich abzugsfähig.

Spendenkonto: Aktionsbündnis gegen Homophobie e.V., Sparkasse Trier,
Verwendungszweck: EheFürAlleIBAN: DE55 5855 0130 0001 0103 21, BIC: TRISDE55XXX

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