BÜHNE

„Ich hab eine große Affinität“

16. Aug. 2015
Cusch Jung spielt seit 45 Jahren Theater – vor allem Musical, vor allem in Berlin

Bereits als Zwölfjähriger stand Cusch Jung auf der Bühne, hat in seiner 45-jährigen Karriere eine Vielzahl an Musicalrollen gespielt von Tony in der „West Side Story“ über Cliff Bradshaw in „Cabaret“ bis Billy Flint in „Chicago“. 15 Jahre lang gehörte er zum Ensemble des Theaters des Westens unter der Intendanz von Helmut Baumann. Mittlerweile ist Jung Chefregisseur an der Musikalischen Komödie in Leipzig. Seit einiger Zeit spielt er zudem erfolgreich die selbst geschriebene One-Man-Show „Ivan und die Frauen und andere Gay-schichten“; im August bei den Berliner Stachelschweinen. SIEGESSÄULE-Autor Frank Hermann sprach mit ihm über seinen „Ivan“, Männer, Frauen und 45 Jahre Leben im Musical

Herr Jung, „Ivan“ ist kein Musical oder? Ich würde es als Realsatire bezeichnen, es ist aber jetzt nicht unbedingt meine Vergangenheit, die da bearbeitet wird. Ivan (französisch ausge­sprochen!) ist eine Figur, die ihren Ursprung in dem Stück „Kunst“ der Pariser Schriftstellerin Yasmina Reza hat und die ich ausgebaut habe. Ich hatte schon immer mal vor, eine CD voller Lieder mit Frauennamen zu machen: Michelle, Natalie, (My Name is) Luca und so weiter. Und so habe ich Ivan eine Biografie gegeben, die ihn dazu bringt, über alle möglichen Beziehungen zu sinnieren, die nicht funktionieren. Und dann ist da noch seine Mutter, die immer dazwischenfunkt. Schließlich landet er beim Psychiater … Danach geht er nach Indien und wird Bhagwan-Jünger. Im zweiten Teil begibt sich Ivan mit seinem Freund Alain nach San Francisco, nicht ahnend, was ihn dort erwartet. Er lernt zum Beispiel, was ein Dark­room ist, aber vorher bekommt er noch von irgendjemand etwas zugesteckt, wird zum „Goldenen Reiter“ und landet in der Klinik. Dort taucht eine Krankenschwester in Lack und Leder auf, die frei nach „This is theMoment“ aus „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ singt „Ich bin ‘ne Tunte“. Ivan flieht wieder und trifft eines Tages Anton, mit dem er nach Südtirol geht und einen Bauernhof aufmacht. Das Stück bestand ursprünglich nur aus dem ersten Teil. Nachdem ich das im letzten Sommer sehr erfolgreich gespielt hatte, fing ich an zu schreiben, und in zwei Tagen war der zweite Teil fertig. So ist aus dem einstündigen Programm ein abendfüllendes geworden.


Wie kam denn nun das „gay“ überhaupt in die Show? Komischerweise war’s die logische Folge. Wo soll denn der Ivan jetzt hin nach all den Frauen? So kam Grönemeyers „Männer“ ins Spiel. Schon die Frage in dem Text – „Wann ist der Mann ein Mann?“ – ist doch super. Und irgendwann sagt sich Ivan „Ob Mann oder Frau ist eigentlich völlig egal.“ Jeder kann eben auf seine Art glücklich werden. Am Schluss resümiert er: „Anton und ich leben jetzt schon seit vier Jahren zusammen. Ich weiß, es wird ewig so weitergehen. Übrigens: Wir sind kein Paar.“ Also, es bleibt alles offen. Aber es geht sowieso im Stück nicht unter die Gürtellinie, das ist auch gar nicht meine Absicht, sondern das Programm lebt vom Wortwitz und von der Sprache. Die meisten meiner Freunde, und jetzt komm ich wieder auf meine eigene Biografie, sind schwul, meine Tochter hat nur Onkels. Ich hab also eine große Affinität und somit einen reichen Schatz, aus dem ich schöpfen konnte.
Das Stück ist eine Tour de Force über zwei Stunden, bei der ich alle Facetten, die ich in meinem Leben gelernt habe – zu texten, zu  singen, mich zu bewegen, zu spielen –, zeigen kann.


Haben Sie nach 45 Jahren Karriere noch eine Wunschrolle? Aktuell freue ich mich, noch mal den Professor Higgins in „My Fair Lady“ zu spielen. Alles andere entwickelt sich einfach. Man sollte sich auch nicht auf alten Lorbeeren ausruhen, auch wenn wir im Theater des Westens 15 Jahre lang vielleicht ein bisschen Theatergeschichte geschrieben haben. Viele kennen mich ja gar nicht mehr von früher, und manche wissen nicht einmal, wer Helmut Baumann ist. Aber so ist das Leben, wir müssen uns immer wieder neu beweisen und immer wieder aufs Neue in Erinnerung bringen. Und auch nach 45 Jahren bin ich immer noch in der Ausbildung, das geht immer weiter, wir sind nie fertig.

Interview: fh

Ivan und die Frauen ... und andere Gay-schichten, 17.–22.08., 20:00, Die Stachelschweine

diestachelschweine.de

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