BEWEGUNGSMELDER

Der wichtigste LGBT-Aktivist der Welt

15. Aug. 2015
(c) Tanja Schnitzler

Dirk Ludigs über den US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama, dessen Engagement für LGBT die deutsche Kanzlerin ziemlich alt aussehen lässt

Die Amerikaner haben für ihren Präsidenten, wenn er die letzten beiden Jahre seiner zweiten Amtszeit erreicht hat, einen wenig schmeichelhaften Begriff: lame duck – lahme Ente. Denn wenn im Lande schon der Wahlkampf um seine Nachfolge zu toben beginnt, hat der Mann im Weißen Haus – eine Frau gab es bisher ja noch nicht – in der Regel die wichtigsten Vorhaben seiner Regierungszeit schon verabschiedet oder ist an ihnen gescheitert. Großes ist von den lahmen Enten nicht mehr zu erwarten. Meist erklären sie noch schnell ein paar Flecken Wildnis zum Naturschutzgebiet, unterzeichnen ein paar Gnadengesuche und kümmern sich um die bald zu gründende Bibliothek in ihrem Heimatort.

Barack Obama scheint sich für etwas anderes entschieden zu haben. Er möchte offensichtlich als der Mann in die Geschichte der USA eingehen, der die Rechte von LGBT-Menschen in den USA und überall auf der Welt so weit nach vorne gebracht hat, wie niemand vor ihm. Was dieser Präsident von Beginn seiner Amtszeit an, besonders aber in den letzten Monaten, auf den Weg gebracht hat ist beispiellos. Für die deutsche Regierung ist es ausreichend, um vor Scham in den Boden zu versinken.

Unter Obama fielen 2009 die diskriminierenden Einreiseverbote für Menschen mit HIV, wurde ein nationales Gesetz gegen LGBT-Hassverbrechen verabschiedet, die Don't-Ask-Don't-Tell-Regel im US-Militär abgeschafft. Seit 2013 gibt es ein Gesetz gegen häusliche Gewalt, das explizit LGBT-Paare mit einbezieht. Seit Beginn seiner Amtszeit sind über 250 Lesben, Schwule und Transgender von Obama in wichtige Positionen berufen worden, darunter etliche Botschafter_innen. Die Liste seiner LGBT-Taten ist schier endlos. Es hat das Klima für LGBT-Menschen in den USA spürbar verbessert.

Immer wieder stellt Obama fest, dass LGBT-Rechte für seine Regierung ohne wenn und aber Menschenrechte sind, weswegen er sich, anders noch als im Wahlkampf 2008, seit einigen Jahren vorbehaltlos für die Ehe für alle in den USA eingesetzt hat. Folgerichtig erstrahlte das Weiße Haus am Tage der Eheöffnung in Regenbogenfarben und Obama kommentierte die Entscheidung des Obersten Gerichts mit den Worten: „Dieses Urteil ist ein Sieg für Amerika. Diese Entscheidung bestätigt, was Millionen Amerikaner aus vollem Herzen glauben: Wenn alle Amerikaner gleich behandelt werden, dann sind wir alle freier.“

In LGBT-Fragen sieht Merkel neben Obama aus wie Putins kleine Schwester

Wie viele Lichtjahre ist so ein Satz entfernt von unseren hinterwäldlerischen Debatten um angebliches Kindeswohl oder noch angeblichere konservative Werte, um Bauchgefühl, Polygamie und Inzest und der irrlichternden Idee, man könne unterscheiden ohne zu diskriminieren? In LGBT-Fragen sieht Merkel neben Obama aus wie Putins kleine Schwester.

Überhaupt: Deutschland peinlich Vaterland! Zum Internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie kam im Mai dieses Jahres aus dem Weißen Haus ein Statement, so klar, so eindeutig, dass es hierzulande der LSVD nicht besser hätte schreiben können, ach was, wahrscheinlich hätte er die Trans*-Menschen vergessen. In Deutschland war die ranghöchste Politikerin die, wie es bei Schröder hieß, Ministerin für Gedöns Manuela Schwesig, die ihre Videobotschaft mit der für alle überraschenden Neuigkeit begann, Homosexualität sei (Achtung: Tremolo in der Stimme!) keine Krankheit! Danke, Manuela. Zum Fremdschämen blöd.

Derweil fährt Obama mal eben nach Kenia, um dort vor zigtausenden Kenianern und direkt neben dem homophoben Präsidenten Kenyatta die Menschenrechte für LGBT-Menschen auch im Land seines Vaters anzumahnen. Was er damit ausgelöst hat, erzählte ein kenianischer LGBT-Aktivist ein paar Tage später dem britischen Guardian: Seither diskutiert das ganze Land zum ersten Mal offen über Homosexualität, erste Prominente trauten sich, für die Rechte von Schwulen und Lesben Stellung zu beziehen. Die Stimmung beginnt sich zu drehen.

Und während unter Steinmeier im Auswärtigen Amt in Sachen weltweiter LGBT-Rechte Funkstille herrscht (Westerwelle, das muss man ihm lassen, nahm die Sache wesentlich ernster), hat die Obama-Regierung seit Februar sogar einen außerordentlichen Gesandten für weltweite LGBT-Rechte. Randy Berrys erste Reise führte nach Jamaika. Ich finde, es wird Zeit, ihn bald mal nach Deutschland zu schicken. Unsere Provinzpolitiker könnten die Entwicklungshilfe gut gebrauchen.

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