Nightlife

Vorhang fällt

24. Aug. 2015
Torsten Behrend betrieb 13 Jahre lang die Marietta. Nun schließt die Bar. ©Hassan

Update! 27.08. Die Marietta wird voraussichtlich doch nicht schließen! Genauere Infos hier

Die familiäre Bar hielt sich in den letzten Jahren vor allem mit ihrem schwulen Mittwoch „Pink Martini“ über Wasser, der besonders im Sommer Hunderte Gäste anzieht. Besitzer Torsten Behrend, der seit drei Jahren mit einer lesbischen Freundin außerdem den Klamottenladen Adrett am Weinbergsweg betreibt, sieht der Schließung seiner Bar mit gemischten Gefühlen entgegen. Wir trafen ihn in der Marietta zum Gespräch

Torsten, nach 13 Jahren schließt die Marietta Ende August. Es läuft ja gut, warum machst du den Laden dicht?
Dass es gut läuft, kann man nicht sagen. Der schwule Mittwoch läuft, aber an allen anderen Tagen merkt man schon, dass sich die Gegend hier stark verändert hat. Ich zahle mittlerweile eine doppelt so hohe Miete wie am Anfang und der entsprechende Umsatz fehlt. Das geht nicht mehr auf. Aber in meiner privaten Planung war es eigentlich eh immer schon so, dass ich das maximal zehn Jahre machen wollte.

Was war 2002 hier im Kiez anders, als es mit der Marietta losging?
Da war nicht viel anders, bloß dass die Leute noch 13 Jahre jünger waren als jetzt. Es heißt ja immer Gentrifizierung, Vertreibung und so weiter, das ist hier nicht so. Ich hatte nie Ärger mit irgendwelchen zugezogenen Wessis oder Leuten, die Eigentumswohnungen gekauft haben. Im Haus wohnen viele Leute, die hier früher auch gewohnt haben. Die Mieten sind noch relativ günstig. Die Leute werden einfach älter und gehen nicht mehr so viel aus. Das ist ein normaler Prozess, der auch in Kreuzberg oder Neukölln stattfinden wird.

Irgendwer müsste doch nun die Lücke für Schwule hier in der Gegend schließen …
Die Leute aus meinem Team hätten schon Interesse, weiterzumachen, ohne mich in einer kleineren Bar. Aber es gibt einfach keinen freien Laden. Andere Interessenten im Kiez sind auch da, die scharf auf den schwulen Mittwoch sind. Das sind aber noch ungelegte Eier.

Weißt du denn schon, was mit den Räumen der Marietta passieren wird?
Der momentane Interessent würde hier gerne ein indisches Restaurant aufmachen. Macht einen guten Eindruck. Moderne Cross-over-Küche.

Wenn du an die Marietta denkst, was wird dir in Erinnerung bleiben? Es gibt unzählige Erinnerungen, hier ist so viel passiert. Es kam mal eine Frau hier rein, bestellte einen Tee und verschwand dann auf der Behindertentoilette. Sie kam stundenlang nicht wieder, und wir dachten, es wäre etwas passiert. Ich bin dann hin und hab geklopft, und als sie nicht reagierte, hab ich die Tür von außen aufgemacht. Ich dachte echt, ich träume, die hatte sich dort eingerichtet wie in einem privaten Bad und war dabei, ihre Wäsche zu waschen. Sie fauchte mich an, was mir einfiele, ihr Bad zu betreten. Ich habe ihr dann gesagt, sie möge bitte den Schleudergang einleiten. Schön ist auch, dass es ein Mädchen gibt, das Marietta heißt, weil die Eltern sich hier früher immer getroffen haben. Die Marietta war für viele eine Anlaufstelle, wenn sie neu in Berlin waren, gerade für Schwule. Es gab einige Coming-outs hier, von Stammgästen und vom Personal. Leute, die hier als Heten angefangen haben und dann ein halbes Jahr später schwul waren. Die letzte Umpolung war im vorigen Jahr. (lacht)

Da muss was im Wasser sein. Nicht, dass die Leute nachher ins indische Restaurant gehen und schwul wieder rauskommen.
Das kann durchaus passieren, muss an den alten Bleirohren liegen.

Am 26.08. ist dann der letzte schwule Mittwoch.
Ich werde keine Rede halten, falls du das fragen willst. Das ist nicht mein Ding. Ich werde noch mal da sein, es wird irgendein Special geben. Irgendwann ziehe ich mich dann zurück. Ich will nicht bis nachts um drei in der Tür stehen und alle mit Tränen verabschieden. Das halte ich mental nicht durch. Ich möchte die Bühne verlassen, wenn das Licht noch an ist. <

Interview: Jan Noll

Letzter „Pink Martini“, 26.08., 21:00, Marietta

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