Klassik

Neue Ufer

4. Sept. 2015

In der jetzt beginnenden Saison wird der französische Countertenor Philippe Jaroussky Artist in Residence am Konzerthaus Berlin sein. Am Freitag eröffnete er die Spielzeit mit einem fulminanten Konzert

Der Franzose Philippe Jaroussky ist seit einigen Jahren einer der besten und erfolgreichsten Countertenöre weltweit. 2013 hat er ein halbjähriges Sabbatical genommen und startete danach wieder voll durch. In dieser Spielzeit gastiert er als Artist in Residence am Konzerthaus Berlin. Vor seiner Anreise sprach SIEGESSÄULE-Autor Eckhard Weber mit ihm am Telefon

Philippe Jaroussky, was machen Sie seit Ihrem Sabbatical beruflich anders?
Ich habe die künstlerische Richtung einiger meiner Projekte verändert. Was sich leider nicht gewandelt hat: Ich bin noch immer ein Workaholic, mein Terminkalender ist schon wieder sehr voll, was aber natürlich auch ein gutes Zeichen ist.

Wie ist es mit dem Privatleben? Haben Sie jetzt mehr Zeit für Ihren Partner, mit dem Sie seit acht Jahren zusammen sind?
Das Sabbatical haben wir ja zusammen genommen, um mehr Zeit füreinander zu haben. Seitdem haben wir unser Leben anders organisiert: Mein Freund hat jetzt mehr Unabhängigkeit im Job und kann mich bei Fernreisen begleiten. Und ich mache jetzt nicht mehr so viele Opernproduktionen wie früher, was ja mitunter bedeutet, zwei Monate am Stück woanders zu sein.

Es gibt also einen Repertoirewechsel bei Ihnen …
Ich möchte ein bisschen dieses „verrückte“, spektakuläre Kastraten-Repertoire verlassen, auch wenn ich davon ja lange total fasziniert war. Es ist zwar sehr aufregend, diese virtuosen Stücke zu singen, weil man sein ganzes Können zeigen darf. Das hat mir Spaß gemacht, aber jetzt finde ich, es ist zu mechanisch. Ich suche etwas mit mehr Tiefe, mit mehr Gefühl, etwa Kantaten von Bach und Oratorien von Händel.

Ihr aktuelles Album „Green“ – der Titel ist eine Anspielung auf Absinth, das Modegetränk der Pariser Boheme um 1900 ...
Das ist eine Richtung, die ich ja schon vor einigen Jahren mit meinem Album „Opium“ eingeschlagen habe. Auf „Green“ basieren alle Stücke auf Gedichten von Paul Verlaine. Ich singe Lieder von Debussy und seinen Zeitgenossen sowie Chansons von Léo Ferré und Charles Trenet.

Ist das nicht ein untypisches Repertoire für einen Countertenor?
Ehrlich gesagt ist das Originalrepertoire für einen Countertenor sowieso eher klein. Denn auch die Kastraten-Partien sind ja nicht für Countertenöre geschrieben worden. Diese Chansons und Lieder mit Texten von Verlaine erfordern Sensibilität, um sie wie Gedichte zu interpretieren. Warum sollte also ein Countertenor dies nicht machen können?

Ihr erstes Konzert, das Sie als Artist in Residence am Konzerthaus geben, ist auch eher untypisch: Sie singen ein Stück eines zeitgenössischen Komponisten mit den Texten der Renaissance-Dichterin Louise Labé.
Ich werde unterschiedliche Sachen in verschiedenen Besetzungen bei meinen Konzerten am Konzerthaus in dieser Saison machen. Aber um meine Residency hier einzuleiten, wollte ich als erstes mit dem gesamten Konzerthausorchester zusammenarbeiten. Deshalb habe ich mich für „Sonnets de Louise Labé“ für Countertenor und Orchester von Marc-André Dalbavie entschieden, die ich 2008 in Lyon uraufgeführt habe. Sie haben eine sehr reichhaltige Orchesterbesetzung und sind außerdem wirklich sehr berührend.

Freuen Sie sich auf Berlin? Ich bin sehr glücklich, durch meine Residency mehrmals in dieser Spielzeit in Berlin zu sein, weil ich auch sehr nette Erinnerungen habe. Vor gut zehn Jahren habe ich bei Claudio Monteverdis „Il ritorno d’Ulisse in patria“ an der Staatsoper mitgewirkt und in den letzten Jahren habe ich ja schon mehrmals im Konzerthaus und auch in der Philharmonie gesungen. Hier gibt es tolle Orte für die Musik.

Interview: Eckhard Weber

Sonnets de Louise Labé für Countertenor und Orchester, Gustav Mahler:
Sinfonie Nr. 7 e-Moll, mit Philippe Jaroussky, Konzerthausorchester Berlin unter der Leitung von Iván Fischer, 04.09., 19:00,
Konzerthaus und 06.09., 11:00, Philharmonie

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